Gladbeck. Der Lagebericht zeigt 486 Straftaten im Bereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen auf. Bei Großrazzien wurden auch Gladbecker Bars durchsucht.
Die Clankriminalität ist auch für das Polizeipräsidium Recklinghausen ein Schwerpunktthema in der Kriminalitätsbekämpfung. Nicht von ungefähr, denn wie der aktuelle Lagebericht des Landeskriminalamtes NRW widerspiegelt, liegt der Kreis Recklinghausen im Vergleich aller Kommunen bei der Anzahl der hierzu 2019 landesweit erfassten Straftaten türkisch-arabischer Clans hinter Essen auf dem zweiten Platz, gefolgt von Gelsenkirchen. Um dieser besonderen Form der Kriminalität entgegen zu wirken, sind im Kreis bereits fünf große Razzien erfolgt. Auch in Gladbeck wurden dabei mit großem Behördenaufgebot Shisha-Bars durchsucht.
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Von den landesweit ermittelten 6104 Clan-Straftaten bedeuten die im Kreis Recklinghausen 486 erfassten Fallzahlen einen Anteil von acht Prozent, bei der Zahl der 320 Tatverdächtigen, bezogen auf die landesweit ermittelten 3779 Personen, liegt er bei 8,5 Prozent. „Wenn wir diese Zahlen auf die 2018 erfassten Clandelikte im Bereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen beziehen“, sagt Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber, „ist das ein Anstieg der Straftaten um fast 13 Prozent und der der Tatverdächtigen um mehr als 13 Prozent.“ Diese Zahlen deckten sich „in etwa mit dem Landesdurchschnitt“.
Im Kreis ist die Anzahl der Straftaten insgesamt gesunken
Bei den genannten Zahlen zur Clankriminalität solle aber festgehalten werden, „dass im Bereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen die Anzahl der insgesamt erfassten Straftaten im Vorjahresvergleich um 1,59 Prozent gesunken ist“, unterstreicht Wilming-Weber. Der Anstieg der erfassten Clan-Straftaten habe auch damit zu tun, dass die Öffentlichkeit hierzu sensibilisierter reagiere „und mehr Verdachtsfälle meldet“. Zudem sei hierzu die Schwerpunktarbeit der Polizei intensiviert worden sei, „um mehr Licht in diese abgeschotteten Bereiche zu bringen“. Klartext: Durch die kreisweit 79 Razzien und Kontrollen von mehr als 1100 Personen wurden im Vorjahr mehr Straftaten entdeckt. Bei einer solchen Aktion in mehreren Ruhrgebietsstädten Anfang 2019 wurden auch in Gladbeck zwei Shisha-Bars in Brauck und Mitte-Ost durchsucht. Beteiligt waren ein Großaufgebot der Polizei sowie die Steuerfahndung des Zolls und städtische Behörden wie das Ordnungsamt.
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Die Bars seien kontrolliert worden, nicht weil es unbedingt einen konkreten Verdacht gegeben habe, „sondern, weil solche Bars oder Wettbüros als Rückzugs- und Kommunikationsorte von Mitgliedern krimineller Clans aus dem Gladbecker Umfeld genutzt werden könnten“. Dazu gehörte auch, dass im Umfeld der beiden Shisha-Lokale Fahrzeuge, insbesondere hochwertige, und ihre Fahrer überprüft wurden. Die Polizei betreibe mit diesen Aktionen eine Taktik der Nadelstiche, mit dem Ziel, „zu verhindern, dass sich kriminelle Clanstrukturen festigen und etablieren“.
Eon Großteil der Clankriminalität erfolgte im Bereich der Körperverletzung
Von den kreisweit erfassten 486 Clan-Straftaten habe sich der überwiegende Teil mit 170 Delikten im Bereich der Körperverletzung und Einschüchterung abgespielt. Hinzu kämen rund 100 Eigentumsdelikte wie Diebstahl sowie 70 Betrugs- und Fälschungsdelikte und 50 Straftaten im Zusammenhang mit Drogen. Dies seien die bekannten Taten, wobei sich sicher viele weitere im Dunkelfeld ereigneten hätten.
Wilming-Weber warnt davor, generell alle Familienmitglieder eines Clans zu stigmatisieren, „nicht jedes ist kriminell“. Im Kreis habe man 15 Clanmitglieder ermittelt, „die mit mehr als fünf zugeordneten Delikten als Mehrfachstraftäter gelten“ und deshalb unter besonderer Beobachtung der Polizei seien.
Was ist Clankriminalität?
Der Begriff Clankriminalität umfasst laut Landeskriminalamt NRW „die vom Gewinn- oder Machtstreben bestimmte Begehung von Straftaten unter Beteiligung Mehrerer, wobei in die Tatbegehung bewusst die abgeschottete gemeinsame familiäre oder ethnische Herkunft als verbindende, die Tatbegehung fördernde oder die Aufklärung der Tat hindernde Komponente einbezogen wird“.
Die Tatbegehung im Rahmen auch organisierter Kriminalität ist „von einer fehlenden Akzeptanz der deutschen Rechts- oder Werteordnung geprägt und die Straftaten einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung“. Im Fokus des LKA sind dabei derzeit 111 Familienclans (Namen), deren Angehörige einen türkisch-arabisch-stämmigen Migrationshintergrund (Bevölkerungsgruppe der Mhallamiye) aufweisen und die über Bezüge zum Libanon verfügen.
Weitere Kontrollaktionen seien auch noch in diesem Jahr geplant. Sie bedeuteten aber auch einen deutlichen Personalaufwand. So seien hierfür 2019 rund 10.300 Personalstunden aufgewendet „und 750 Polizeikräfte aus dem Präsidium Recklinghausen und weitere 1000 aus den Polizeihundertschaften des Landes eingesetzt worden“.