Gladbeck. Parteien in Gladbeck können sich wegen Corona nicht bei Podiumsdiskussionen präsentieren. Sie setzen verstärkt auf Gespräche an Info-Ständen.
Ein regelrechter „Aufgalopp“ war dies am ersten Samstag nach den Sommerferien: Von Hochstraße bis Oberhof waren fast alle bei der Kommunalwahl kandidierenden zehn Parteien mit ihren Info-Ständen vertreten, um sich, ihre Bürgermeisterkandidaten und ihre Programme dem geneigten Wahlvolk vorzustellen. Das schien gut zu funktionieren, von Parteienverdrossenheit war kaum etwas zu merken.
Dies mag auch daran liegen, dass die traditionellen Wahlveranstaltungen, wie die Podiumsdiskussion mit den Spitzenkandidaten, nicht stattfinden können. So spiele sich vieles an den Info-Ständen ab, wie auch alle Beteiligten bestätigten. Es fehle zwar „das argumentative Kreuzen der Klingen“, sagte SPD-Stadtverbandsvorsitzender Jens Bennarend, dennoch habe er „ein positives Gefühl“. Denn: das politische Interesse sei ziemlich groß.
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Dietmar Drosdzol (CDU) hofft im neuen Rat auf mehr Gemeinsamkeit „abseits des Farbgeplänkels“
Gleich am Eingang zur Fußgängerzone auf der Hochstraße in Gladbeck agierte CDU-Bürgermeisterkandidat Dietmar Drosdzol gemeinsam mit Landratskandidat Bodo Klimpel wortmächtig mit einer Lautsprecheranlage. Es gebe „wenige Menschen, die nur an uns vorbeigehen, immer wieder werden Fragen gestellt und sehr viele Einladungen ausgesprochen“, die er „gerne und überall“ wahrnehme, so Drosdzol.
Digitalisierung und Integration sieht er als seine Schwerpunktthemen und hofft im neuen Rat auf mehr Gemeinsamkeit „abseits des Farbgeplänkels“. Wechselnde Mehrheiten sind für den CDU-Kandidaten gleichbedeutend mit mehr Demokratie. Über das „ewige Hick-Hack untereinander“ beschwerte sich denn auch eine Passantin und nahm freudig drei Tütchen Dillsamen, die unter dem Motto „Die Saat geht auf“ angeboten wurden.
Als Wahlgeschenke sind besonders kleine Sonnenblumen der Grünen beliebt
Die Wahlgeschenke sind auch in diesem Wahljahr wenig überraschend: Kugelschreiber, Popcorn, Einkaufswagenchips. Der Renner allerdings waren Töpfchen mit kleinen Sonnenblumen am Stand von Bündnis 90/Die Grünen mit ihrer Kandidatin Simone Steffens, der natürlich der Klimaschutz, der durch Corona an Aufmerksamkeit verloren habe, besonders am Herzen liegt. Eine spezielle Idee hatte die DKP mit ihrem Kandidaten Gerhard Dorka. Sie verschenkte am Oberhof Bustickets. „In Gladbeck kann man am Samstag kein Busticket erwerben. Das Kundencenter ist geschlossen, es gibt keine Automaten und für die Geschäfte lohnt sich das nicht“, so Dorka.
Zwischen diesen beiden Polen fand sich die „Alternative Bürgerinitiative“ mit ihrem Kandidaten Habib Ay, der sich für bezahlbaren Wohnraum, Ordnung und Sauberkeit einsetzen möchte. Zum ersten Mal hatte die Partei, die seit 2014 existiert, einen eigenen Stand – mit „großem Zulauf“. Eine Stadt mit Vielfalt müsse auch Vielfalt im Stadtrat repräsentieren.
FDP-Bürgermeisterkandidat sorgt sich um die Wirtschaft
Über sie fand ein paar Meter weiter Michael Lange vom Vorstand der AfD Gladbeck lobende Worte: Man habe „nette Gespräche“ geführt. Das „Standard Framing“, so Lange, dass viele Parteien nicht mit ihnen zusammenarbeiten wollten, kenne man zur Genüge. Auch die Medien hätten ihren Anteil daran. Die AfD jedenfalls „würde mit jedem reden“. Michael Tack, Bürgermeisterkandidat der FDP, sorgt sich um die Wirtschaft in der Nach-Corona-Zeit. Auch er spürt ein höheres Interesse der Bürger: „Der Stand wird ordentlich aufgewertet durch den Wegfall der Podiumsdiskussion.“
Zehn Parteien kandidieren
2014 gab es folgendes Ergebnis bei der Kommunalwahl (in Prozent): SPD: 47,3; CDU 25,2; Linke 6,0; Grüne 5,8; FDP 2,7; BIG 2,6; Piraten 2,5; DKP 1,4.
2020 kandidieren zehn Parteien um den Einzug in den Rat der Stadt Gladbeck. Elf Kandidaten bewerben sich um das Amt des Bürgermeisters. Weiterhin gewählt werden die Vertreter des Integrationsrates, der Landrat des Kreises Recklinghausen und der Kreistag sowie erstmalig das „Ruhrparlament“.
Ähnlich äußerte sich SPD-Bürgermeisterkandidatin Bettina Weist: „Der gute Zuspruch gibt mir Kraft“. Sie hatte ihren Stand allerdings etwas abseits – gegenüber der Lambertikirche. Volker Musiol vom Wahlkampfteam erklärte das damit, dass sie Bürgermeisterin für alle sein wolle und man sich deshalb räumlich vom Stand der SPD entfernt habe.
Olaf Jung von der Linken hatte kaum Zeit, weil er ständig angesprochen wurde: „Wir haben mehr Zuspruch als je zuvor“, blickte er optimistisch auf den Wahltag. Ulas Polat ist als unabhängiger Kandidat nur auf sich und einige Unterstützer gestellt. Soziale Themen sind seine Schwerpunkte. Vielfalt ist – zumindest was die Anzahl der Bürgermeisterkandidaten angeht und die unterschiedlichen Richtungen, die sie repräsentieren – in Gladbeck kein leeres Wort.