Gladbeck. Anweisungen des Schulministeriums für den Schulstart nach den Ferien haben die Gladbecker Schulen erreicht. Rektoren kritisieren das Konzept.
Gladbecker Schulleiter fühlen sich erneut von Schulministerin Yvonne Gebauer in der Praxisumsetzung ein Stück weit alleine gelassen und vermissen die Fürsorge ihrer Dienstherrin. Hintergrund: Die neunzehn Seiten umfassenden Handlungsanweisungen des Ministeriums, die jetzt die Schulen erreicht haben. Darin Vorgaben und Hinweise, wie der reguläre Schul- und Unterrichtsbetrieb in Corona-Zeiten zum Schulstart nach den Sommerferien gelingen soll. Trotz des Umfangs kritisieren Gladbecker Rektoren das Papier als zu konzeptlastig und zu wirklichkeitsfern. Sie sehen zudem den Präsenzunterricht durch weiterhin zu erwartenden Lehrermangel gefährdet.
Die weiter anhaltende Corona-Krise werde eher schön geredet
"Das Schreiben bleibt sehr pauschal und geht so gut wie gar nicht auf die Sorgen der Lehrerinnen und Lehrer ein, dass mit dem Regel-Schulbetrieb auch die Infektionsgefahr wächst", sagt Grundschulrektorin Cäcilia Nagel. Die Krise werde eher "schön geredet" und als Beleg auf medizinische Fachgesellschaften und südwestdeutsche Unikliniken verwiesen, ohne Namen zu nennen. Und deren wissenschaftliche Empfehlungen, dass jüngere Kinder deutlich weniger infektionsgefährdet seien und auch im geringeren Maße Covid-19 übertragen würden. Die aktuellen Vorfälle an ihrer Lambertischule belegten aber sehr wohl, "dass sich Kinder mit dem Virus anstecken können". Sie sehe so weiterhin "die Gefahr einer Infektion auch für die Lehrkräfte".
Als politische Schönfärberei bewerten die Schulleiter auch die Schutzkonzept-Aussage des Ministeriums, dass das Land zur ergänzenden Unterstützung Mund-Nase-Bedeckungen für Lehrkräfte an allen Schulen finanziert habe. Denn die Realität dazu sei ernüchternd, so Cäcilia Nagel und Holger Pleines, Chef des Berufskollegs Gladbeck: "Jede Lehrkraft hat zwei dünne Stoffbedeckungen erhalten".
Zum Schuljahresbeginn werden weiterhin Lehrkräfte coronabedingt fehlen
Die befragten Schulleiter stellen sich alle darauf ein, dass zum Schuljahresbeginn weiter Kolleginnen und Kollegen coronabedingt mit Attest fehlen werden. Holger Pleines geht von zehn Prozent aus und sagt, "das ist im Präsenzunterricht nicht aufzufangen, soviel Mehrarbeit kann nicht geleistet werden". Verena Wintjes, Direktorin am Riesener-Gymnasium, erwartet, "dass wie schon zurzeit auch nach den Sommerferien zwölf der 68 Lehrkräfte fehlen". Sie hofft auf die Einstellungsmöglichkeit von neuem Personal als Lehrerreserve, "sonst kriegen wir den Präsenzunterricht nicht gestemmt". Die vom Ministerium in Aussicht gestellte Möglichkeit zur Sicherstellung des Regelbetriebes Lehrerstellen auch für Quereinsteiger befristet ausschreiben zu können, sieht Cäcilia Nagel skeptisch. Der Markt sei leer gefegt. "Schon im vergangenen Schuljahr habe ich vier Stellen ausgeschrieben und keine Bewerbungen erhalten" - und wer bewerbe sich jetzt wohl gerne auf einen Arbeitsplatz mit erhöhtem Infektionsrisiko.
Klassen und Schülergruppen sollen auch im Regelbetrieb nach den Sommerferien zum Infektionsschutz möglichst nicht durchmischt werden. "Aber wie soll das an einem Gymnasium funktionieren, wo Schüler im Französisch- wie Lateinunterricht, oder im Kurssystem aus unterschiedlichen Klassen zusammenkommen", fragt Direktorin Verena Wintjes. Vieles in den Vorgaben des Ministeriums halte er nicht für zielführend, "und geht an der Wirklichkeit vorbei", sagt Holger Pleines. Etwa auch, dass vom Präsenzunterricht im Notfall abgewichen werden dürfe, die Einführung des Distanzunterrichts aber an die Entwicklung eines organisatorischen und pädagogischen Plans gebunden sei. Das sei in der Praxis nicht im Detail machbar, "wo es auf Flexibilität ankommt", um sich auf die jeweilige Situation einzustellen, die sich ja täglich ändern könne.
Ein Großteil der Schüler hat keinen PC, um Zuhause digital zu lernen
Den beabsichtigten Ausbau des digitalen Lernens begrüßen die Schulleiter. Sie bemängeln aber, dass der Großteil der Schüler zwar ein Smartphone, "aber keinen PC oder Laptop hat, um etwa Arbeitsblätter herunterladen und vernünftig bearbeiten zu können". Selbst auf dem Gymnasium nicht: "Wir haben eine Befragung gemacht", so Verena Wintjes. Demnach ist nur etwa gut ein Drittel der Schülerinnen und Schüler Zuhause entsprechend ausgestattet.
>>>Digitale Bibliothek für Schüler
• Um trotz Mangel von Laptops und PCs in den Schülerfamilien Distanzlernen zu ermöglichen, arbeitet das Riesener-Gymnasium an einem besonderen Konzept. "Wir überlegen eine Art digitale Bibliothek an der Schule einzurichten, in der unseren Schülerinnen und Schülern das Arbeiten an PCs oder Laptops ermöglicht wird.
• Das Land stellt den Schulen Logineo NRW als kostenlose Bildungsplattform für das digitale Lernen zur Verfügung. Problem dabei: Die Lehrerinnen und Lehrer können erst zum Schuljahresstart daran geschult werden, so dass die Nutzung im Unterricht erst mit entsprechender Verzögerung erfolgen kann.