Gladbeck. Stephan Ignatzy hatte sich in Gladbeck mit Stil Vest selbstständig gemacht. Doch wegen des Coronavirus’ gibt’s wirtschaftliche Probleme.

Auch wenn die Läden schon ein paar Wochen wieder geöffnet sind: Die Händler spüren die Auswirkungen der Corona-Krise immer noch. Die Geschäfte laufen bei vielen nicht so wie zuvor. Einen der Gladbecker Einzelhändler hat es besonders übel getroffen.

Gladbeck: Nach der Insolvenz von Peacock übernahm Stephan Ignatzy das Geschäft unter dem neuen Namen „Stil Vest“

Stephan Ignatzy war 2013 als Franchisenehmer bei der Modekette Peacock eingestiegen, hatte zwei Geschäfte übernommen, eins in Gladbeck, das andere in Dorsten. Im August 2019 war die Peacock Moden GmbH insolvent, Ignatzy von heute auf morgen von der Warenversorgung abgeschnitten, musste die Lieferanten erst von seiner Liquidität und Zuverlässigkeit überzeugen, bevor sie auf Vorkasse bei jeder Lieferung verzichteten. „Es war eine turbulente und anstrengende Zeit“, sagt der 52-Jährige im Rückblick. Aber: Von Anfang an stand für ihn fest, dass er weitermachen wollte. Am 27. Februar dieses Jahres war es so weit: Aus Peacock wurde Stil Vest, aus dem Franchisenehmer ein Einzelhändler.

„Die Menschen wurden vorsichtiger und zurückhaltender beim Konsum“

Mit ganz viel Elan gingen er und seine Teams – je fünf Mitarbeiterinnen in Gladbeck und Dorsten – die neue Ära an. „Wir sind voller Hoffnung und mit ganz viel Herzblut gestartet, wollten richtig Gas geben. Und die ersten Tage liefen auch super“, sagt Ignatzy. Aber dann kam Corona.

Stephan Ignatzy verkauft in seinem Geschäft an der Hochstraße nicht nur Kleidung und Schuhe, sondern auch Gesichtsmasken – ein wichtiges Utensil in Corona-Zeiten.
Stephan Ignatzy verkauft in seinem Geschäft an der Hochstraße nicht nur Kleidung und Schuhe, sondern auch Gesichtsmasken – ein wichtiges Utensil in Corona-Zeiten. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Anfangs habe ich das Ganze völlig unterschätzt“, gibt der Geschäftsmann zu. „Aber irgendwann Anfang März gingen die Umsätze schon deutlich zurück, die Menschen wurden vorsichtiger und zurückhaltender beim Konsum.“ Und am 18. März, nur drei Wochen nach dem Neustart, kam der Shutdown. Wie die meisten Geschäfte musste Stil Vest schließen, die Mitarbeiterinnen gingen in Kurzarbeit. Ignatzy: „Das war ein extremer Schock.“

Und jetzt? Seit dem 20. April sind die Geschäfte wieder geöffnet. Aber: Ein Kunden-Ansturm sieht anders aus. „In der ersten Woche lief es ganz gut wieder an, in der zweiten schwächelte es schon, und mit der Maskenpflicht kam der nächste Einbruch“, sagt der Geschäftsmann. „Zum Shopping gehört auch eine Wohlfühlatmosphäre, und die verspüren viele unserer Kundinnen mit einem Mund-Nasen-Schutz eben nicht.“

Baustellen behindern die Anfahrt der Kundschaft nach Gladbeck

Hinzu kämen finanzielle Einbußen durch Kurzarbeit oder Sorgen um die berufliche Zukunft. Ignatzy: „Da überlegt man, wofür man sein Geld ausgibt.“ Andere blieben weg, weil sie sich keinen unnötigen Ansteckungsrisiken aussetzen wollen. Und schließlich sieht Stephan Ignatzy noch einen Grund dafür, dass die Geschäfte an der Ecke Hochstraße/Postallee aktuell nicht so gut laufen, der mit Corona gar nichts zu tun hat: „Die Sperrung der Brücke Beethovenstraße und die Baustelle auf der Europabrücke halten viele Kunden, zum Beispiel aus Kirchhellen davon ab, nach Gladbeck zu kommen.“ Zum Glück könne er die jetzt in seinem Geschäft in Dorsten begrüßen.

Optimismus bleibt

Zu „normalen“ Zeiten lädt Stephan Ignatzy Kundinnen und Kunden mehrmals im Jahr zu besonderen Events ein. Der für April geplante Freundinnen-Tag mit Prosecco und Tapas musste schon ausfallen, ebenso der Maibowle-Abend in diesem Monat.

„Auch bei diesen Anlässen machen wir sonst gute Umsätze“, sagt Stephan Ignatzy. Er bleibt trotz allem optimistisch. „Man darf nicht immer jammern. Ich halte es mit dem Frosch im Milchglas, der so lange strampelt, bis aus der Milch Quark geworden ist, und er aus dem Glasklettern kann, während sein Freund, der schon früh aufgegeben hat, ertrinkt.“

Unterkriegen lassen will sich Stephan Ignatzy nicht, „schon meinen Mitarbeiterinnen zuliebe nicht. Wir haben gemeinsam gekämpft. Wir stehen das auch gemeinsam durch.“ Den bisherigen Verlust durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen beziffert er auf einen sechsstelligen Betrag. „Das werde ich in diesem Jahr nicht wieder ausgleichen können.“

Und dennoch: Er bleibt optimistisch – und kreativ: Seit einiger Zeit hat er ein ganz besonderes „Kleidungsstück“ in sein Sortiment aufgenommen, von dem er innerhalb einer Woche schon 600 Exemplare verkauft hat: einen Gesichtsschild aus Plexiglas zum Schutz gegen Viren. Nicht so chic wie die übrige Kollektion, aber praktisch.