Gladbeck. Die Suchtberatung und Selbsthilfegruppen in Gladbeck merken: Fehlende Kontakte wegen des Coronavirus’ wirken sich aus. Begegnungen fehlen.

Die seit Wochen andauernde Reduzierung persönlicher Kontakte trifft jeden hart, bei Menschen mit Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen befürchten Fachleute gravierende Folgen. Heike Kerber leitet die Psychosoziale Beratungsstelle für Menschen mit Suchterkrankung beim Caritasverband Gladbeck. Das Team der Beratungsstelle kümmert sich aktuell um mehr als 30 Betroffene, in der Mehrzahl Alkoholkranke, einige Medikamentenabhängige.

Gladbeck: „Es ist ein riesiges Problem, dass Gruppenangebote wegfallen“

„Es ist ein riesiges Problem, dass unsere Gruppenangebote für Suchtkranke, für Menschen nach einer stationären Entwöhnung und auch für Angehörige seit Wochen wegfallen“, sagt sie. „Auch unsere Einzelberatungen können derzeit nicht stattfinden. Wir machen uns große Sorgen.“Alleinstehende leiden nach ihrer Wahrnehmung besonders unter der Situation: „Wir rufen unsere Klienten mindestens zwei Mal pro Woche an, und da spüre ich bei vielen eine große Traurigkeit. Auch psychische Störungen wie Depressionen und Ängste nehmen zu.“

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Die Vermittlung in eine Therapie sei ebenfalls deutlich schwieriger geworden. „Bei Menschen, die ich schon kenne, kann ich den erforderlichen Sozialbericht schreiben, und sie können die Anträge zuhause ausfüllen. Bei Betroffenen, die sich jetzt bei uns melden, geht das nicht. Alles kann man am Telefon nicht klären.“ Heike Kerber ist sicher, dass die Caritas-Beratungsstelle nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen einen Ansturm Betroffener erleben wird. „Wir kümmern uns um die Menschen, wir wissen um ihre Not. Aber Telefongespräche können persönliche Begegnungen nicht ersetzen.“

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Auch in den Selbsthilfegruppen vermissen die Mitglieder die regelmäßigen Treffen, die Gespräche, die gegenseitige Unterstützung. Rückfälle in die Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit habe es glücklicherweise bisher nicht gegeben, sagt Michael Skerstinat vom Kreuzbund. Aber: „Die Gefahr ist natürlich groß. Wir sind zwar alle abstinent, aber nicht geheilt.“

Michael Skerstinat vom Kreuzbund Gladbeck sieht Abhängige in großer Gefahr: „Wir sind zwar alle abstinent, aber nicht geheilt.“
Michael Skerstinat vom Kreuzbund Gladbeck sieht Abhängige in großer Gefahr: „Wir sind zwar alle abstinent, aber nicht geheilt.“ © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Sieben Kreuzbund-Selbsthilfegruppen mit je etwa zehn Mitgliedern gibt es in Gladbeck, dazu eine „Infogruppe“ für Menschen, die noch den Weg suchen aus der Sucht. Der Experte vom Kreuzbund sieht besonders diese Kranken jetzt in Gefahr, ohne die wöchentlichen Treffen von eben diesem Weg wieder abzukommen.

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Michael Skerstinat leitet außerdem die Selbsthilfegruppe „Aufbruch“ für Menschen mit Depressionen, die er vor sechs Jahren gegründet hat. Auch dort spürt er, dass die persönlichen Begegnungen fehlen, die Betroffenen sich zunehmend einsam fühlen. „Wir stehen zwar in beiden Selbsthilfegruppen im regelmäßigen Kontakt, machen Videokonferenzen, jeder kann in einer Krisensituation jeden anrufen, Tag und Nacht. Aber all das kann die persönliche Begegnung und die Umarmungen nicht ersetzen.“

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Kontaktdaten

Die Psychosoziale Beratungsstelle für Menschen mit Suchterkrankung des Caritasverbandes ist erreichbar unter 02043/2791-45 oder heike.kerber@caritas-gladbeck.de.

Ansprechpartner bei den Anonymen Alkoholikern ist Günter Floeth, 02043/36474.

Zu Jörg Schumann vom Blauen Kreuz können Hilfesuchende Kontakt aufnehmen unter 02043/3198256 oder joerg-schumann1@gmx.de.

Seit 1978 gibt es die Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker mit aktuell acht Mitgliedern und die Gruppe Al Anon für Angehörige. Günter Floeth ist seit mehr als 30 Jahren dabei und besucht die wöchentlichen Treffen immer noch, die seit mittlerweile sechs Wochen gestrichen sind. Bei den Telefonaten und Online-Chats mit den anderen Gruppenmitgliedern ist zwar die Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen derzeit häufiges Thema, Floeth hat aber noch nicht bemerkt, dass die aktuelle Situation die Rückfall-Gefahr verstärkt hat: „Alkoholabhängige, auch wenn sie schon lange trocken sind, leben ständig in dieser Gefahr. Der graue Alltag, Eheprobleme, berufliche Sorgen – all das kann sie wieder zur Flaschen greifen lassen, genau wie die aktuelle Situation.“

Jörg Schumann ist da anderer Ansicht. Er war etliche Jahre Vorsitzender der Selbsthilfegruppe vom Blauen Kreuz. „Man hat den Betroffenen ja nicht nur die regelmäßigen Gruppentreffen weggenommen, sondern alle Strukturen zerschlagen, alle Ansprechpartner genommen, die sonst noch wichtig sind. Sport treiben kann man nicht mehr, Seniorengruppen dürfen sich nicht treffen. Solche sozialen Kontakte und Alltagsstrukturen sind für Suchtkranke besonders wichtig.“ Schumann ist sicher: „Wenn die Corona-Pandemie vorüber ist, werden die Suchtstationen der Krankenhäuser volllaufen.“