Gladbeck. .
Nicht erst seit den Vorfällen beim jüngsten Stadtfest ist gesteigerter Alkoholkonsum der Gladbecker Jugendlichen ein Thema. Ein Gespräch mit den Beratern der psychosozialen Beratungsstelle der Caritas über die Risiken und Wirkungen der „Volksdroge“.
hre Party findet nicht vor der Bühne, sondern hinter dem Rathaus statt: Nicht erst seit den Vorfällen beim jüngsten Stadtfest ist gesteigerter Alkoholkonsum der Gladbecker Jugendlichen ein Thema. Im Gespräch mit WAZ-Mitarbeiter Steffen Bender berichten Heike Kerber von der psychosozialen Beratungsstelle der Caritas und Angelo Huth, Caritas-Mitarbeiter und federführender Leiter des „Coolen Treff“, von den Risiken und Wirkungen der „Volksdroge“.
Haben Sie festgestellt, dass der Alkoholkonsum von Jugendlichen in den letzten Jahren zugenommen hat?
Kerber: Ja, das kann man so sagen. Jugendliche sind in den letzten Jahren auffälliger geworden. In den Krankenhäusern gibt es vermehrt jugendliche Patienten, die mit einer Alkoholvergiftung eingeliefert werden.
Wie erklären Sie sich das eigentlich?
Huth: Langeweile ist hier ein großer Faktor. Es ist auch ein Gefühl von Gruppenzugehörigkeit, der durch das Trinken vermittelt wird. Alkohol hat zudem einen gewissen Enthemmungsfaktor: Jugendliche fühlen sich schwach. Wenn sie trinken, fühlen sie sich oft stark. Das hängt auch damit zusammen, dass man Grenzen austesten möchte.
Kerber: Jugendliche haben es nicht leicht in unserer Gesellschaft. Die fehlende Perspektive durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit spielt da auch noch eine Rolle. Es ist eine Art Realitätsflucht.
Wer ist verantwortlich dafür? Eltern, Schule oder vielleicht auch jeder Einzelne?
Huth: An Alkohol ist sehr leicht heranzukommen. Die gesellschaftlichen Bedingungen tun ihr Übriges: Der Druck ist groß. Eine Teilschuld ist bei den Eltern zu sehen. Aber da kommen viele Faktoren zusammen.
Kerber: Viele Wurzeln liegen sicher im Elternhaus, aber ich tue mich schwer, damit zu pauschalisieren. Es gibt genug andere Lösungswege. Individuell hat sich jeder die Frage zu stellen: „Trinke ich?“ oder „Trinke ich nicht“? Es ist eine Mischform, die Schuld trifft nie einen allein.
Wie kann man dem denn überhaupt entgegenwirken?
Kerber: Jugendliche müssen Verantwortung übernehmen und auch lernen, für sich selbst zu sorgen.
Huth: Imagekampagnen zum Beispiel bewirken wiederum nicht viel. Darüber wird sich eher lustig gemacht. Beratungsstellen und Treffen helfen da schon eher.
Würde es nicht helfen, den Alkohol einfach zu verteuern?
Kerber: Alkohol zu verbieten oder zu verteuern ist nicht der richtige Weg. Vielmehr brauchen wir einen bewussten Umgang mit diesem Thema in der gesamten Gesellschaft. Das eigene Konsumverhalten steht im Vordergrund.
Huth: Wir dürfen den Alkohol auch nicht komplett verteufeln. Alcopops sind aber dennoch eine große Gefahr. Sie sind süß, man schmeckt die Gefahr nicht.
Sie haben nun eine Kontaktstelle für Jugendliche eingerichtet, den „Coolen Treff“. Was steckt dahinter?
Huth: Bei uns wird über Schäden und Risiken von Alkohol gesprochen. Wir bauen Vertrauen auf und sprechen stetig miteinander. Da wird sich auch nicht mehr lustig gemacht. Man redet wirklich über das Thema Alkohol.
Ist der steigende Alkoholkonsum eine Modeerscheinung oder anders herum gefragt: Warum hat man den Eindruck, dass das Trinken bei Jugendlichen eine Freizeitbeschäftigung ist?
Kerber: Alkoholkonsum ist keine Mode. Getrunken wurde schon immer. In den letzten Jahren wurde es von Jugendlichen aber immer mehr in die Öffentlichkeit getragen.
Sie haben schon angesprochen, dass Trinken enthemmt. Warum brauchen Jugendliche das?
Huth: Das Bedürfnis nach Enthemmung gibt vielleicht die fehlende Zielperspektive. Ein Jugendlicher ist schließlich immer noch in der Entwicklung. Die Phase zwischen Jugend- und Erwachsenalter ist keine einfache Zeit. Durch das Trinken gaukeln sie sich vor, mit sich im Reinen zu sein.
Auch wenn noch offen ist, welche Rolle der Alkoholkonsum beim tragischen Vorfall vom Wochenende gespielt hat. Glauben Sie, dass es jetzt ein schnelles Umdenken gibt?
Kerber: Nein, das Bewusstsein ändert sich nicht so schnell. Es wird weiter getrunken. Das merken wir auch in den Schulen, die wir besuchen. Hier haben bereits Elf-, Zwölf- und Dreizehnjährige Erfahrungen mit Alkohol. Das Schlimme ist: Je eher ein Jugendlicher trinkt, desto früher kann er auch abhängig werden. Wenn Menschen erst einmal akzeptiert haben, ständg mit dem Alkohol zu leben, schwindet die Motivation für andere Dinge.
Was würden Sie sich für die Zukunft vor allem wünschen?
Kerber: Wir hoffen vor allem, dass unser Projekt weiter geht und dass wir hier mit dem „Coolen Treff“ eine stetige Einrichtung für Jugendliche einrichten können.
Cooler Treff:
Wer jünger als 21 Jahre ist und über das Thema Alkohol, das eigene Trinken, reden will (auch ganz anonym) kann dies jeden Mittwoch von 14 bis 18 Uhr im „Coolen Treff“ im Caritas-Haus, Kirchstraße 5, Zimmer 1.18, 1. Etage, tun. Die Berater haben für alle ein offenes Ohr.