Gladbeck. Vor allem am Schöffengericht in Gladbeck fallen oft Prozesse aus, weil Angeklagte oder Zeugen nicht erscheinen. Doch das hat immer Konsequenzen.

„In der Strafsache gegen . . . die Beteiligten bitte in Saal 3 eintreten.“ Alle Prozessbeteiligten – Richter, Schöffen, Staatsanwalt und Verteidiger – schauen erwartungsvoll zur Tür. Niemand tritt ein, der Angeklagte ist nicht erschienen. Immer häufiger muss Markus Bley, Vorsitzender Richter des Schöffengerichts am Amtsgericht Gladbeck, eine Verhandlung neu terminieren, müssen alle unverrichteter Dinge wieder gehen, weil der Beschuldigte der Ladung nicht gefolgt ist. Oder er muss einen Fortsetzungstermin anberaumen, weil wichtige Zeugen fehlen.

Beim Jugendgericht fehlen die Prozessbeteiligten seltener

Amtsgerichtsdirektor Bernd Wedig kann diesen Trend für seinen Zuständigkeitsbereich, die Jugendstrafsachen, nicht bestätigen. Auch bei den Einzelrichtern fehlen die Beschuldigten selten. „Vielleicht liegt es daran, dass Angeklagte beim Schöffengericht höhere Strafen zu erwarten haben“ mutmaßt er. Vor dem hauptamtlichen Richter und seinen zwei ehrenamtlichen Schöffen geht es um Verbrechen, die mit einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe bedroht sind. Maximal kann das Schöffengericht eine vierjährige Haftstrafe aussprechen. Vor Einzelrichtern werden Vergehen verhandelt, bei denen Geldstrafen oder geringere Haftstrafen drohen.

Auch interessant

Zeugen müssen einen triftigen Grund haben, wenn sie nicht vor Gericht erscheinen. Bernd Wedig: „Als Zeuge auszusagen ist eine staatsbürgerliche Pflicht. Eine telefonische Krankmeldung zum Beispiel reicht nicht. Wer nicht kommen kann, muss schon ein ärztliches Attest vorlegen, dass er verhandlungsunfähig ist.“ Wer unentschuldigt fernbleibt, muss mit Konsequenzen rechnen. Darauf wird er in der Ladung hingewiesen.

Das Gericht kann ein Ordnungsgeld zwischen fünf und 1000 Euro verhängen

Das Gericht kann in einem solchen Fall ein Ordnungsgeld zwischen fünf und 1000 Euro verhängen, ersatzweise Ordnungshaft zwischen einem Tag und sechs Wochen. Und der Zeuge muss die Kosten tragen, die er verursacht hat: Fahrkosten und Verdienstausfall der anderen Zeugen, die Kosten für die Ladung und für den Verteidiger, die Aufwandsentschädigung der Schöffen. Da können schon ein paar hundert Euro zusammenkommen. Erlassen werden kann ihm all das, wenn er nachträglich eine „genügende Entschuldigung“ vorlegen kann.

Auch interessant

Natürlich weiß Amtsgerichtsdirektor Wedig nicht, was Zeugen konkret dazu bewegt, der Verhandlung fernzubleiben. Er vermutet, dass manche Scheu vor der vollkommen fremden Situation haben, dass andere glauben, sie hätten mit ihrer Aussage vor der Polizei ihre Pflicht schon getan. Wedig: „Und ich kann mir in Einzelfällen auch durchaus vorstellen, dass Zeugen von Angeklagten bedroht werden, wenn sie gegen sie aussagen und deshalb aus Angst fernbleiben.“

Auch der Angeklagte sollte nicht ohne triftigen Grund einfach schwänzen

Selbstverständlich kann auch ein Angeklagter nicht ohne triftigen Grund die Verhandlung „schwänzen“. Macht er es doch, hat das Gericht verschiedene Möglichkeiten: Es kann beispielsweise – und das gilt in der Regel bei minderschweren Fällen – einen Strafbefehl erlassen, der das Urteil quasi ersetzt. Per Strafbefehl werden in der Regel Geldstrafen verhängt, hat der Angeklagte einen Anwalt, auch Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr mit Bewährungszeit.

Geht es um gravierendere Straftaten, kann der Richter veranlassen, dass der Angeklagte zum neuen Termin von der Polizei vorgeführt wird – was auch nicht immer funktioniert, weil die Beamten vor verschlossener Tür stehen, oder der Zeuge sich nicht, wie verabredet, in der Polizeiwache einfindet. Wenn das Gericht es für notwendig erachtet, kann auch ein Haftbefehl erlassen werden. Wedig betont: „Bei solchen Maßnahmen müssen wir selbstverständlich immer den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.“ Der Angeklagte wird dann bundesweit zur Fahndung ausgeschrieben, bei seiner Festnahme – wo auch immer – unverzüglich dem Haftrichter vorgeführt, und muss im schlimmsten Fall die Zeit bis zu seiner Hauptverhandlung in Untersuchungshaft absitzen.

Jeder, der sich vor Gericht verantworten muss, sollte sich also reiflich überlegen, ob er sich vor der Verhandlung drückt, meint Bernd Wedig. Denn: „Niemand kann sich seinem Prozess entziehen, ihn allenfalls hinauszögern. Jeder kriegt seine Strafe, auch wenn es manchmal länger dauert.“