Gladbeck. Kirchen und ihre Gemeinden werden auch in Gladbeck bei Verkäufen bald ähnlich besteuert wie normale Unternehmen. Es gibt aber einige Ausnahmen.

Es ist quasi so sicher wie das Amen in der Kirche: Die so genannte „Bratwurststeuer“ kommt, die auch bei Gemeindefesten der Religionsgemeinschaften in Gladbeck fällig wird. Denn: „Die prominente VIP-Stellung, die Kirchen umsatzsteuerrechtlich hatten, gibt es bald nicht mehr“, sagt Wilfried Allkemper, Geschäftsführer der Evangelischen Kirche in Gladbeck. Auf Grundlage des EU-Rechtes werden Kirchen und ihre Gemeinden bei Verkäufen künftig ähnlich besteuert wie gewöhnliche Unternehmen. Das katholische Ruhrbistum mit Sitz in Essen rechnet damit, dass die buchhalterische Umstellung im Sprengel zugunsten des Fiskus „Kosten in mindestens sechsstelliger Höhe erzeugt“.

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Habe es bislang „für Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Städte, Länder, Universitäten und eben die Kirchen relativ großzügige Ausnahmen gegeben“, erklärt Björn Philipps, Steuerreferent im Bistum Essen weiter, „so werden die Verkäufe dieser Einrichtungen ab dem 1. Januar 2021 umsatzsteuerpflichtig“. Nach dem juristischen Gleichheitssatz fordere die EU „gleiches Tun gleich zu behandeln“, so Philipps. Die Frage der Bratwurst-Besteuerung solle also nicht davon abhängen, „ob sie in einem Imbiss oder beim Pfarrfest verkauft wird“.

Die Säkularisierung klopft an die Tür und kratzt am Selbstverständnis der Kirche

Geschäftsführer der Ev. Kirche in Gladbeck: Wilfried Allkemper.
Geschäftsführer der Ev. Kirche in Gladbeck: Wilfried Allkemper. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

„Die Säkularisierung klopft an die Tür“, sagt Wilfried Allkemper und kratze am Selbstverständnis der Kirche, die sich mit der Umsatzsteuerpflicht als weltlicher Betrieb verstehen solle. Er glaube nicht, dass die Steuerpflicht jetzt bedeute, „dass wir beim Gemeindefest oder Weihnachtsmarkt neben dem Bratwurst- oder Kuchenstand eine Registrierkasse aufstellen müssen“. Gleichwohl gelte es den ehrenamtlichen Helfern aber zu vermitteln, dass eine genauerer Buchführung der Ein- und Ausgaben zu erfolgen hat, „also auch nachgehalten werden muss, wie viele Kaffee oder Kuchenstücke verkauft worden sind“.

Kleinunternehmerregelung beachten

Experten raten den Kirchgemeinden, steuerlich die Kleinunternehmerregelung bei ihren Betätigungen anzuwenden. Diese wird auch von vielen Privatpersonen genutzt, die nebenbei selbstständig tätig sind.

Die Regelung besagt, wer pro Jahr weniger als 17.500 Euro umsetzt, muss keine Umsatzsteuer zahlen. Diese Freigrenze soll kommendes Jahr sogar auf 22.000 Euro angehoben werden.

Die abzuführende Steuer werde auch dazu führen, „dass wir statt einer Abgabe zum Selbstkostenpreis diese auf die Preise draufschlagen müssen, um kein Minusgeschäft zu machen“. Kirchenintern werde es so auch komplizierter, meint Allkemper, um die Gemeinden zu unterstützen, habe die Landeskirche ein Infoschreiben mit Checkliste zugesandt. Zudem müsse sich ein Mitarbeiter mit der Buchhaltung zur Umsatzsteuer befassen, das erfolge aber zentral über die Verwaltung des Ev. Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten in Recklinghausen.

Verwaltungsleiter der Pfarrei St. Lamberti: Eugen Gibkes.
Verwaltungsleiter der Pfarrei St. Lamberti: Eugen Gibkes. © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Der Verwaltungsleiter der kath. Pfarrei St. Lamberti, Eugen Gibkes, sieht der Steuerpflicht indes gelassen entgegen, „die bereitet dem Kirchenvorstand in Gladbeck und mir keine schlaflosen Nächte“. Der Grund: „Mit dem Konstrukt der Großpfarrei sind wir schon seit 2010 umsatzsteuerpflichtig. Denn wir haben schon früh den Kontakt zum Finanzamt gesucht, um die Einnahmen, um die es jetzt generell geht, der Umsatzsteuer zu unterwerfen.“ Neu sei allerdings, „dass die Umsatzsteuerpflicht auch die Aktivitäten von Gruppen betrifft, die direkt zur Pfarrei gehören“, etwa der Tannenbaumverkauf der Messdiener, oder die Tasse Kaffee im kirchlichen Seniorentreff. Vieles sei zum Thema noch im Fluss, bis 2021 müsse alles stehen. Gibkes: „Wir werden dazu auch Info-Veranstaltungen in den Gemeinden halten, wie alles künftig zu organisieren ist.“

Für die Pfarreien gibt es trotz der Steuerverschärfung aber einige Lichtblicke

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Es gebe für die Pfarreien „aber auch Lichtblicke“, sagt Björn Philipps. Denn entscheidend sei, wer etwas verkauft: „Ist es eine Gruppe, die nicht direkt zur Pfarrei gehört und die einem Verband angehört, über den der Verkauf läuft, etwa Pfadfinder, KAB, KfD oder Kolping, oder ein Förderverein, ist die Pfarrei nicht steuerpflichtig – und der Verein bestenfalls gemeinnützig“. Zudem seien viele Produkte und Dienstleistungen steuerfrei, etwa die Vermietungen von Räumen oder die Gebühren der Bücherei. Gleiches gelte für hoheitliche Aufgaben der Kirche, „zum Beispiel für Gebühren für besondere Messen, Trauungen, Beerdigungen oder Wallfahrten“.