Gladbeck. In Erinnerungen schwelgten die Besucher im Fritz-Lange-Haus. Seniorenbeirat und Seniorenberatung hatten zum Plausch über alte Zeiten eingeladen.
Das war so ganz nach dem Geschmack der Besucher: Im proppenvollen Saal des Fritz-Lange-Hauses ging der Blick zurück in die Zeit, als die „Rennpferde des kleinen Mannes“ Hochkonjunktur hatten und es an fast jeder Ecke eine Kneipe gab. Unter dem Motto „Es war einmal . . .“ hatten die städtische Seniorenberatung und der Seniorenbeirat Gäste eingeladen, die so manche Anekdote auf Lager hatten aus jenen Jahren, an die sich alle im Saal noch gut erinnern könnten.
Taubenvater erzählt vom „Rennpferd des kleinen Mannes“ – den Tauben
Manfred und Marianne Berger machten den Anfang. Der Vorsitzende der Brieftauben-Reisevereinigung Gladbeck und seine Frau plauderten über die Zeiten, als jeden Sonntag in fast jedem Garten der Zechensiedlungen Männer erwartungsvoll gen Himmel schauten und auf die Rückkehr ihrer „Flieger“ warteten.
Wie auf der Rennbahn bei den Trabern und Galoppern hatten sie auf ihre „Rennpferde“ gewettet. Berger: „Ein Groschen auf Sieg war der Mindesteinsatz, 32 Mark kostete eine Kombi-Wette, und wenn die Tauben dann ziemlich weit vorne landeten, konnte man 310 Mark gewinnen.“ Viel Geld in den 50er Jahren.
Von Taubenvätern konnte auch Engelbert Gatzke erzählen. In seiner Zeit als Wirt im „Haus Dörnemann“ in Ellinghorst hatten dort zwei Taubenvereine ihr Domizil: „Wenn sie nach der Versammlung das Lied vom schönen blauen Vogel anstimmten, der nicht nach Hause zurückkommt, haben 15 Männer geheult.“ Und von den Bergleuten erzählte Gatzke, die in die Kneipe strömten – und die auch um 3 Uhr in der Frühe, nach der 18-Uhr-Schicht, an die Scheibe klopften „und bis 6 Uhr gesoffen haben“. Bevor er hinter den Tresen wechselte, saß Engelbert Gatzke in jungen Jahren häufig davor: „Ich hatte wenig Geld und musste bei der Wirtin Agnes Dörnemann oft einen Deckel machen. Und als ich nicht mehr bezahlen konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als sie zu heiraten.“ So wurde er nebenberuflich Gastwirt.
Das Haus Marnette wurde 1957 eröffnet
Theo Marnette ist das immer noch. Der 70-Jährige führt seit 30 Jahren das „Haus Marnette“ an der Lindenstraße, das sein Vater 1957 eröffnet hatte. Viele Jahre hatte er bei Buschfort und Schönhoff gearbeitet „Von Theo bekleidet, von allen beneidet“, sagten damals viele seiner Kunden. Sein Vater war alles andere als begeistert, als der Sohn in seine Fußstapfen treten wollte. Und seine Frau drohte gar mit Scheidung – und bewirtet seit vielen Jahren mit ihm die Gäste. „Wie lange macht Ihr noch?“, fragen die Stammgäste oft. Theo Marnette: „Ende offen.“
… und so geht es weiter
Die nächste große Veranstaltung von Seniorenberatung und -beirat im Fritz-Lange-Haus an der Friedrichstraße ist am 29. Oktober am 15 Uhr das zünftige Oktoberfest mit den „Bergsteirern“.
Tanzfans sollten sich den 6. November vormerken. Dann heißt es ab 15 Uhr „Disco-Fox trifft Rock’n’Roll.
Auch Rolf Meyer war beruflich ganz anders unterwegs, arbeitete im Kaufhaus Althoff, als er sich Anfang der 80er Jahre überreden ließ, das verwaiste Haus Kleimann an der Hegestraße zu übernehmen, „als noch Russisch Ei und Toast Hawaii auf der Speisenkarte standen“. Im Fritz-Lange-Haus plauderte er launig darüber, dass er zur vorgerückter Stunde und nach ein paar „rostigen Nägeln“ (Korn mit wenigen Tropfen Tabasco) mit einem weiblichen Gast die Kleider tauschte: Sie schlüpfte in seiner Allgäuer Tracht, er zwängte sich in ihr grünes Kleid: „Beides sah sch . . . aus.“ Wenig lustig war auch die Prügelei aus Eifersucht an einem Tanzabend: „Gläser flogen, Tische fielen um, die Polizei musste kommen.“ Das war sogar der Bildzeitung eine Schlagzeile wert.
Das erste Hotel in Gladbeck war das 1948 eröffnete Hotel Koopmann
Deutlich ruhiger ging es in den Gaststätten zu, von denen Reni Dölcken zu erzählen wusste. Sie ist im Wortsinn in der Gastronomie groß geworden. Die Eltern betrieben das erste Hotel in Gladbeck, das 1948 eröffnete „Hotel Koopmann“ an der Horster Straße, übernahmen später Wittringen samt Kiosk im Freibad und den Schultenhof. Die Tochter stieg nach der Ausbildung und dem Besuch der Hotelfachschule ins elterliche Geschäft ein. In ihren Hotels stiegen politische Größen wie Willy Brandt ab, mieteten sich Schauspieler wie Harald Juhnke, Grete Weiser und Inge Meysel („Die ging immer gern mit meinem Vater auf den Taubenschlag.“) ein.
Zum höchst unterhaltsamen Nachmittag im Fritz-Lange-Haus trugen auch „Hausherr“ Ulrich Hauska und Hans Nimphius (Seniorenbeirat) mit eigenen launigen Anekdoten bei. Es hätte wohl noch Stunden weitergehen können. Und so fiel die Reaktion der Besucher auf Hauskas Vorschlag einer Wiederholung ganz eindeutig aus: donnernder Applaus und ein langgezogenes „Jaaaa.“