Gladbeck. Der Auszubildende David Ginschel will Vorurteile gegenüber Pflegeberufen widerlegen. Der Braucker legt Ende September seine Abschlussprüfung ab.
Rainer Knubben könnte Gift und Galle spucken, wenn er hört: Wer in der Pflege arbeitet, verdient mies, hat familienunfreundliche Arbeitszeiten, unattraktive Aufgaben und keine Zeit für die Bewohner einer Einrichtung. „Alles Ammenmärchen!“, sagt der Caritasvorstand. Der Beruf als Pflegekraft werde schlecht geredet, ärgert sich Knubben. Was sagen Menschen, die tagtäglich alte, kranke, behinderte Menschen betreuen? Oder Berufsanfänger – wie David Ginschel.
Der 24-Jährige hat sich bewusst für eine Ausbildung zur Pflegefachkraft entschieden. „Eine Kochlehre habe ich abgebrochen“, sagt der ehemalige Gesamtschüler. Ihm sei klar geworden, dass ihn dieser Beruf nicht erfülle. Aber examinierter Altenpfleger, das wär’s, oder? „Ich hatte erst auch Vorbehalte“, gibt Ginschel ehrlich zu. Der Gladbecker erzählt: „Meine Mutter hat eine Ausbildung als Pflegehelferin gemacht.“ Also wollte sich der junge Mann „total offen“ über Berufsalltag und Chancen in dieser Branche informieren.
Der 24-jährige Auszubildende aus Gladbeck-Brauck ist Quereinsteiger
Bereits nach einem eintägigen Praktikum stellte er fest: „Man beschäftigt sich wirklich mit den Menschen“. Etwas, das dem Vater zweier Kinder sehr am Herzen liegt. „Kein halbes Jahr später habe ich eine Helferausbildung angefangen“, so Ginschel. Nun folgt die dreijährige Lehre zum examinierten Pfleger, deren Abschlussprüfung Ende September ansteht.
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Dieser Werdegang macht also ganz den Eindruck, als wenn der 24-Jährige seine berufliche Erfüllung gefunden hätte. Und sein Arbeitsalltag scheint alles andere als eintönig: ein weiteres gängiges Vorurteil. „Pflege heißt nicht nur Popos abwischen“, unterstreicht Pflegedienstleiterin Manuela Wienert. Ginschel nickt zustimmend und umreißt, wie ein Arbeitstag im Johannes-van-Acken-Haus für ihn abläuft.
Seine Schicht beginnt 7 Uhr: „Aber ich bin immer früher da, um zu erfahren, was nachts so los war.“ Um Viertel nach geht Ginschel zu den Bewohnern. Er kümmere sich um fünf bis sieben Menschen. Das heißt: Mal ist jemand zu waschen, ein anderer benötigt Unterstützung beim Zähneputzen. Und bei einem Dritten ist vielleicht eine Wunde zu versorgen. Knubben: „Was getan werden muss, hängt ganz von der Eigenständigkeit der einzelnen Bewohner ab.“ Später bringt Ginschel das Frühstück auf die Zimmer.
„Wir geben den Menschen so viel Zeit, wie sie brauchen“
„Gegen 10 Uhr, 10.30 Uhr, säubern wir unsere Arbeitsräume“, fährt der 24-Jährige fort. Nachdem er eine Pause eingelegt hat, macht er sich daran Tabletten vorzubereiten. Er sorgt auch dafür, dass die Bewohner genug trinken und umgelagert werden, damit sie nicht wund liegen. „Dann geht’s in Richtung Mittagessen“, so Ginschel, „wer möchte, kann es im Tagesraum einnehmen. Wir begleiten die Bewohner dorthin.“ Den Menschen werde für alles so viel Zeit gelassen, wie sie eben brauchten. „Auf Wunsch bringe ich sie nach dem Essen zu Bett“, sagt der Braucker. Er nehme sich immer die Zeit für die Bewohner, interessiere sich für ihre Biografien und Bedürfnisse. Seine Schicht endet gegen 13 Uhr: Bis dahin bringt der Auszubildende den Bewohnern Kaffee und Kuchen, dokumentiert seine Arbeit für die Spätschicht.
80 Bewohner
Im Johannes-van-Acken-Haus an der Rentforter Straße in der Stadtmitte sind zwölf Menschen in Vollzeit als reine Pflegekräfte beschäftigt. Insgesamt kümmern sich 81 Frauen und Männer um die Bewohner der Einrichtung. Examinierte Pflegekräfte haben Zugang zu Medikamenten, stehen mit den Ärzten in Kontakt.
80 Menschen zwischen 47 und 99 Jahren leben im Johannes-van-Acken-Haus. Die Fachkräfte haben es mit unterschiedlichen Krankheitsbildern zu tun, unter anderem MS (Multiple Sklerose), Schlaganfallfolgen und Demenz, so Pflegedienstleiterin Manuela Wienert. Sie stellt fest: „Wir müssen uns umstellen, denn wir haben immer mehr jüngere Bewohner.“
„Wir sind sehr bemüht, den Wünschen unserer Mitarbeiter, was die Arbeitszeit angeht, gerecht zu werden“, sagt Knubben mit Nachdruck, „viele wollen nicht Vollzeit arbeiten.“
Ginschel schon. Und das nicht wegen des Geldes. Noch einmal der Caritasdirektor in Gladbeck: „Als Wohlfahrtsverband zahlen wir nach Tarif, und das tun wir gerne.“ Welche Fähigkeit müsste eine Pflegekraft in spe mitbringen? Ginschel: „Man sollte auf jeden Fall sozial eingestellt sein: Das ist das A und O.“
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Was würde Ginschel erzählen, um jemanden von einem Pflegeberuf zu überzeugen? – „Ich würde ihn mit zur Arbeit nehmen“, sagt er, „das muss man erlebt haben.“ Das Schönste für ihn: „Das Team und die Bewohner, deren Dankbarkeit zu Herzen geht.“