Gladbeck.

Mit den Straßenbahnen wurden die Menschen im Revier vor mehr als 110 Jahren erstmals richtig mobil. In Gladbeck begann das Straßenbahnzeitalter 1909. Mehrere Linien der Vestischen prägten über Jahrzehnte das Stadtbild.

Das Besondere: Gladbeck lag an der Grenze von Ost- und Westnetz der Vestischen, die erst ab 1957 miteinander über die bis dahin trennenden Ostbahngleise verbunden wurden.

Im Vergleich zu anderen Revierstädten, wo das Netz über viele Jahre wuchs, stand das Grundnetz der „Elektrischen“, wie das neue Transportmittel anfangs genannt wurde, in Gladbeck sehr früh fest. Auf der „Westseite“ im wesentlichen schon 1909: Das Rückgrat war die Linie, die von Kirchhellen kam und über Gladbeck nach Horst führte. 6,6 km waren es von Kirchhellen bis Gladbeck (Rathaus), 4,6 km bis Horst.

Die Verbindung nach Horst endete zunächst am Bahnhof Horst-Nord, aber schon 1910 ging es bis zum Horster Stern. Berühmt wurde die Strecke wegen der „Todesbrücke” über die Güterbahnstrecke in Verlängerung der Horster Straße, offiziell Merveldt-Brücke genannt, die 1910 fertig gestellt wurde.

Der Vorläufer der Vestischen entstand schon 1901

Die Organisation der Linie lag bei der Straßenbahngesellschaft „Recklinghäuser Straßenbahnen“, später Vestische Kleinbahnen und ab 1940 Vestischen Straßenbahnen GmbH, die 1901 als Straßenbahngesellschaft für die Linie Recklinghausen-Wanne gestartet war und durch das Zusammengehen mehrerer Straßenbahngesellschaften im Vest Recklinghausen entstand.

Auch die Verbindung nach Bottrop und weiter nach Osterfeld (zusammen 14,1 km) startete in Teilabschnitten bereits 1909 und wurde 1927 vollendet. Die Verbindung nach Zweckel (2,3 km) über Schultendorf war 1929 fertig.

Auf der Ostseite erreichten den Bahnhof Ost zwei Linien: eine von Buer über Scholven und Ost-Zweckel kommend (sie war ab 1907 in Schritten gebaut und 1925 fertig gestellt worden), und eine ab 1925 von Buer über Bülse kommend.

Seit 1927 hatten die Linien Nummern. Linien und Nummern wurden später immer wieder verändert. Was aber blieb, das waren die Ostgleise als Trennlinie der beiden Straßenbahnnetze. Fahrgäste aus Scholven und Buer mussten zu Fuß über die Gleise gehen oder die Unterführung nutzen, um auf der anderen Seite Anschluss zu bekommen.

Nach dem Krieg gab es Linien, die vielen noch heute vertraut sein dürften: Am Ostbahnhof hielten die 10, die über die Buersche Straße von Buer kam, und die 11, die aus Scholven über Nienkampstraße, Scheideweg, Voßstraße und die alte Berliner Straße den Bahnhof Ost erreichte. Auf der anderen Gleisseite gab es Anschluss an die 19, die nach Bottrop und Osterfeld fuhr. Von Kirchhellen und Rentfort kam die 17, die bis nach Horst verkehrte. Die 23 kam aus Zweckel (Tunnelstraße) und Schultendorf, bog bei Kost auf die Rentforter und fuhr parallel zur 17 über Stadtmitte auch nach Horst.

Nach 1957, als die Bahn die Überquerung der Ostgleise ermöglichte, fuhr die 10 durch bis Bottrop und Osterfeld und übernahm die Aufgabe der Linie 19. Die „10“ wurde so eine der längsten Linien der Vestischen, war – von Recklinghausen kommend – fast 30 km lang. Mitte der 50er Jahre erreichte das Straßenbahnnetz der Vestischen bei 21 Linien von Waltrop über Recklinghausen bis Oberhausen und 260 km sein Maximum.

Auch die Linie 11 fuhr ab 1957 über die Ostgleise ins „Westnetz“, als Verstärkung der Linie 10. 1963 wurde aber das Teilstück über Scholven als eine der ersten Streckenreduzierungen eingestellt. Die 11 ergänzte aber die 10 noch zwischen Gladbeck und Bottrop – bis 1967. Von da an übernahm die 17 diese Aufgabe, die seit 1964 nicht mehr nach Kirchhellen fuhr, aber schon seit 1958 über Horst bis Bottrop verkehrte.

Immer wieder Erinnerungen an die Linien 10, 17 und 23

Die 17 lief einige Zeit im Parallelverkehr mit der 23 nach Horst, die seit August 1965 nicht mehr nach Zweckel fuhr. Im April 1968 wurde die 23 ganz eingestellt, zu Gunsten eines 15-Minuten-Taktes der Linie 17.

Die Streckenführung der 17, die noch bis Sterkrade verlängert worden war, wurde 1968 verkürzt bis Bottrop Pferdemarkt, dafür fuhr die Linie 10, die quasi von der anderen Seite von Gladbeck nach Bottrop kam, bis Osterfeld.

Die 17 wurde zum gleichen Zeitpunkt – eben 1968 – eine Ringlinie: Gladbeck, Horst, Bottrop, Gladbeck. Allerdings hatte dies nur kurz Bestand: Schon 1970 wurde die Teilstrecke zwischen Horst und Bottrop eingestellt. Von Gladbeck aus ging es in die eine Richtung bis Horst Essener Straße, in die andere bis Bottrop Pferdemarkt.

Die Strecke Bottrop-Gladbeck bediente die 17 parallel mit der Linie 10 und rollte als eigenständige Linie weiter bis Horst Essener Straße, die 10 nach Buer. 1974, nach Fertigstellung der Brücke über die Ostbahngleise („Asienbrücke“) und Verlegung der Gleise durch die Schillerstraße, fuhr die 17 nur noch allein nach Bottrop, dafür aber parallel mit der 10 nach Horst, die nun von Buer durch die Schillerstraße kam. Die 17 übernahm für zwei Jahre auch noch Aufgaben der 10 in Bottrop. Im November 1976 wurde die 17 schließlich ganz eingestellt, nach Bottrop fuhr keine Bahn mehr.

Die 10 galt zwischenzeitlich mit mehr als 35 km als längste Straßenbahnlinie im Ruhrgebiet – seit sie bereits 1969 bis Marl-Sinsen verlängert worden war. Aber auch diese Linie hatte nicht auf Dauer Bestand. In Gladbeck fuhr am 1. Oktober 1978 die letzte 10 und damit überhaupt die letzte Straßenbahn. Die Vestische stellte den Streckenabschnitt Horst über Gladbeck nach Buer ein.

Die Investitionen erst wenige Jahre zuvor in die neue Brücke samt Streckenänderung und in den Jahren zuvor in den stadtbahnmäßig ausgebauten Abschnitt zwischen Gladbeck und Buer waren umsonst gewesen. Auch den verbliebene Abschnitt der Linie 10 zwischen Buer und Recklinghausen, zuletzt zwischen Herten und Recklinghausen, stellte die Vestische bis 1981 ein. Fortan fuhren nur noch Busse.