Gladbeck. 55,12 Prozent der Gladbecker Wahlberechtigten gingen zur Wahl. Ergebnis: 20 Prozent Verluste für die SPD, über zehn Prozent mehr für die Grünen.

Die Europawahl in Gladbeck hat klare Verlierer und Gewinner hervor gebracht. Erdrutschartige Verluste muss die SPD hinnehmen. Als die Stimmen aus den 82 Wahllokalen kurz vor 20 Uhr ausgezählt sind, lässt sich nichts mehr schönreden: Die Partei verliert 20 Prozent, sackt im Vergleich zur Europawahl 2014 von über 45 Prozent auf unter 26 Prozent.

Nachdenkliche Mienen bei Monika Rullmann (re.) und Ramona Karatas. Beide sind Mitglieder der Grünen, mit Sorge beobachten sie im Ratssaal bei der Bekanntmachung der Auszählungen aus den Wahllokalen das Abschneiden der AfD.
Nachdenkliche Mienen bei Monika Rullmann (re.) und Ramona Karatas. Beide sind Mitglieder der Grünen, mit Sorge beobachten sie im Ratssaal bei der Bekanntmachung der Auszählungen aus den Wahllokalen das Abschneiden der AfD. © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Die Grünen hingegen, in Gladbeck sonst eher schwach, sind die strahlenden Gewinner dieser Wahl. Sie legen um über zehn Prozent zu, 15,65 Prozent der Wähler haben für sie gestimmt. Klar, wie im Bund, hat auch hier das Klimathema gezogen, weiß Fraktionschefin Simone Steffens. Dass die AfD dennoch ebenfalls enorm zugelegt hat, auf 13,63 Prozent der Stimmen kommt, und bei dieser Europawahl viertstärkste Partei in Gladbeck ist, lässt sich damit aber nicht erklären. Es scheint weiterhin eine große Zahl von Protestwählern zu geben. Auch in Alt-Rentfort, wo die Gladbecker Welt scheinbar in Ordnung ist, holte die Partei am rechten Rand in einigen Wahllokalen über 20 Prozent.

CDU kommt mit blauem Auge davon

Die CDU indes ist eher erleichtert, sie kommt mit nur drei Prozent Verlust im Vergleich zu 2014 auf rund 22 Prozent und mit einem „blauen Auge davon, es hätte schlimmer kommen können“, so Fraktionschef Peter Rademacher, der seine Lektion gelernt hat: „Wir müssen uns wieder um die jungen Leute kümmern“.

Bei der SPD herrscht Ratlosigkeit

Viel schlimmer hätte es für die SPD nicht kommen können. In den Mienen der wenigen Parteimitglieder, die zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses in den Ratssaal gekommen sind, herrscht Ratlosigkeit. „Schön ist anders“, kommentiert Volker Musiol, Chef des Ortsvereins Mitte nüchtern. Sein Parteichef benennt es ganz offen. „Das Ergebnis ist desaströs“, sagt Jens Bennarend klipp und klar. Auch im Kreis kam die SPD nur auf 23,59 Prozent. Bennarend, der als EU-Kandidat auf dem von vornherein aussichtslosen Listenplatz 36 wochenlang engagiert um Stimmen kämpfte, hatte auf mehr gehofft. Wenigsten 30 Prozent hätten es sein können nach den Gesprächen mit den Leuten an den Infoständen, so seine Einschätzung. Aber „wir haben unsere Glaubwürdigkeit verloren“, stellt er fest und fordert Konsequenzen von seiner Partei. Ein „Weiter so“ sei für ihn keine Option mehr.

Interessiert verfolgt auch die CDU die Gladbecker Ergebnisse aus den Wahllokalen. Im Bild: Dr. Martin Lange (li.), Peter Rademacher und Franz-Josef Thorwesten-
Interessiert verfolgt auch die CDU die Gladbecker Ergebnisse aus den Wahllokalen. Im Bild: Dr. Martin Lange (li.), Peter Rademacher und Franz-Josef Thorwesten- © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Klimadebatte hat den Grünen genutzt

Für Bürgermeister Ulrich Roland kommt das Ergebnis nicht überraschend. „Die Gesellschaft verändert sich, das ist zu spüren. Es gibt eine allgemeine Unzufriedenheit und weltweit Verwerfungen“, sagt er.

Europa allerdings ist für die Gladbecker ein Thema. Das zeigt nicht nur die Wahlbeteiligung von 55,12 Prozent, die im Vergleich zu 2014 (48,1 Prozent) nochmals angestiegen ist. Das haben die Wahlkämpfer der Parteien an den Infoständen gemerkt. „Die Leute waren viel interessierter, wollten mit uns auch über Bundes- und Kommunalpolitik reden“, stellt Michael Tack (FDP) fest. Er freut sich über eine Verdopplung der Stimmen für seine Partei in dieser Wahl.

Olaf Jung, Fraktionschef der Linken, dagegen ist weniger froh. Bundesweit und auch in Gladbeck hat die Linke verloren, rutschte in Gladbeck von 5,4 auf 4,11 Prozent. Seine Erklärung lautet wie die der anderen Politiker: „Die Klimadebatte hat den Grünen genutzt“.