Gladbeck. Schlechte Deutschkenntnisse und Basiskompetenzen zugewanderter Kinder erschweren die Unterrichtung in Regelklassen an Grund- und Sekundarschulen.

Der Zuzug von Geflüchteten aus Kriegsgebieten wie Syrienund die Binnenzuwanderung aus dem Osten der Europäischen Union belastet im Besonderen auch die Gladbecker Schullandschaft. Das wurde jetzt im Schulausschuss verdeutlicht. Schuldezernent und Erster Beigeordneter Rainer Weichelt sprach von einer „riesengroßen Herausforderung“ und von einer „Schieflage im System“.

Konkret gehe es um zugewanderte Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen, die deshalb dem Regelunterricht nicht folgen könnten und entsprechend besondere Förderung bräuchten. Weichelt kritisierte zugleich, dass die Mehrbelastung durch zugewanderte Kinder in den Klassen an den Grund- und weiterführenden Schulen in Gladbeck ungleich verteilt sei. Ein Teil der Kollegien arbeite sich „den Buckel krumm“ und „andere tragen diese Last nicht“. Das Kreuz müsse aber von allen geschultert werden, forderte Weichelt und kündigte an, man werde mit den Schulen sprechen, „die sich bislang nicht beteiligt haben“.

Jedes fünfte Grundschulkind hat eine Zuwanderungsgeschichte

Schulabteilungsleiter Stefan Sabbadin sprach von einer „außergewöhnlichen Situation seit mindestens fünf Jahren“ und machte den Ausschussmitgliedern die Mehrbelastung an einem Zahlenvergleich deutlich. So wurden vor der Zuwanderungswelle im Jahr 2013 an den Gladbecker Grundschulen 198 Kinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit integriert. Bei insgesamt 2724 Kindern war dies ein Anteil von 7,3 Prozent.

Fünf Jahre später hat sich das Bild stark verändert und fast jedes fünfte Gladbecker Grundschulkind (18,8 Prozent) eine Zuwanderungsgeschichte. Von insgesamt 3013 Kindern besaßen 567 Ende 2018 eine ausländische Staatsangehörigkeit, „der größte Zuwachs im Vergleich der kreisangehörigen Gemeinden“, so Sabbadin.

Mit Kindern, die Deutsch als Zweitsprache erlernen müssten, was umso schwieriger sei, wenn die Grundschüler in ihrem Heimatland keine mit dem deutschen Schulsystem vergleichbare Primarausbildung durchlaufen hätten.

Drei Grundschulen stark betroffen

Auch der aktuelle Sachstand zeigt, dass sich diese Kinder in den bereits stark von Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, vielen Arbeitslosen und hohem Armutsrisiko belasteten Bezirken konzentrieren, in der Stadtmitte und dem Stadtsüden. Und die dort wohnortnah besuchten Grundschulen tragen die Hauptlast der Integration: Lamberti-, Mosaik- und Südparkschule.

Über maximal zwei Jahre ist für zugewanderte Kinder eine besondere Förderung zum Erwerb von Deutschkenntnissen und Basiskompetenzen in Integrationsklassen möglich, danach muss der Übergang in die Regelklassen erfolgen. Das gilt auch für die weiterführenden Schulen, an denen Ende 2018 von insgesamt 6365 Schülern 955 eine ausländische Staatsangehörigkeit hatten (15 Prozent). Ende 2013 waren es zum Vergleich 680 von 6331 Schülern (10,7 Prozent).

Besonders belastet sind hier die Erich-Fried-Schule und die Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule. Förderklassen existieren zwar auch an der Anne-Frank-Realschule und am Ratsgymnasium, dort gelingt der Übergang in die Regelklassen aber oft nicht, wie auch an den weiteren Realschulen, so dass die zugewanderten Schüler an die Gesamt- oder Hauptschule wechseln. Um deren Unterbringung im kommenden Schuljahr zu sichern, müssen dort zusätzliche Überhangklassen eingerichtet werden.

Schuldezernent fordert Sozialindex bei der Lehrerzuteilung

Schuldezernent Rainer Weichelt sprach angesichts der Herausforderungen durch zugewanderte Schüler von „einer außergewöhnlichen Situation“, für die man beim Land „neue Wege beschreiten“ müsse. Er forderte im Schulasusschuss einen Sozialindex bezogen auf den Lehrerschlüssel bei der Zuteilung für die Schulen, „mit vielen Lehrern, wo ein hoher Betreuungsbedarf besteht und mit wenigeren, wo dies nicht der Fall ist“.

Die Stadt selbst, mit ihren eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten als Haushaltssicherungskommune, setze „einen Schwerpunkt in der frühkindlichen Bildung“, so Weichelt. Denn die Statistik belegt auch, dass bei den unter Sechsjährigen aktuell der Anteil der aus dem Ausland zugewanderten Kinder 18,9 Prozent beträgt – und sich so die Situation an den Gladbecker Schulen auch in den kommenden Jahren kaum entspannen wird.

Bildungsamts-Leiterin Bettina Weist verwies darauf, dass die Stadt mit Hilfe des Gladbecker Bündnisses für Familien aber auch ergänzende Maßnahmen an den Schulen eingerichtet habe, „um den Integrationsprozess gut zu unterstützen“. Sie nannte beispielsweise die verlässliche Unterstützung durch Schulsozialarbeiter oder durch Schulhelfer für den Bereich Sprache an belasteten Grundschulen sowie das Projekt Sprechzeit zur Sprachförderung von Kindern aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien, das vom Lions-Club finanziell unterstützt werde.