Gladbeck. Gedenkstättenfahrer Georg Liebich kehrt von einer bewegenden Reise nach Israel zurück. Der bekannte Holocaust-Mahner traf fünf Shoah-Überlebende.
Schon mehr als 25 Jahre fährt er mit Jugendlichen zu Gedenkstätten nach Berlin, seit inzwischen bald sechs Jahren auch nach Israel, um junge Menschen über die Grauen des Holocausts aufzuklären. Immer wieder kommt es dort dann auch zu Begegnungen mit Zeitzeugen. Jetzt kehrte Liebich von einer privaten, sehr bewegenden Israel-Reise zurück, bei der er fünf dieser Holocaust-Überlebenden traf, um dabei seine freundschaftlichen Verbindungen zu vertiefen.
„In letzter Zeit hatten mich die Zeitzeugen immer wieder gefragt, ob ich sie nicht doch einmal privat in Israel besuchen möchte“, berichtet Georg Liebich, der am 12. Mai 60 Jahre alt wird. Über die Jahre seien inzwischen sehr persönliche Beziehungen zu den Shoah-Überlebenden entstanden, die der Sozialarbeiter in Jerusalem, Holon und Tel Aviv traf. „Die Menschen sind mir sehr ans Herz gewachsen und persönlich sehr wichtig“, so Georg Liebich, der Holocaust-Mahner, der regelmäßig über Mails und Briefe, mitunter auch mit Telefonaten Kontakt zu ihnen hält.
Schlimmste Gräueltaten in der NS-Zeit überlebt
Zunächst besuchte Liebich den 90-jährigen Saul Oren in Jerusalem, der in den letzten Jahren regelmäßig Besuchergruppen aus Gladbeck nach Yad Vashem begleitete, wo er den Jugendlichen seine leidvolle Geschichte anvertraute. „Er war 14 Jahre alt, als er und sein Bruder von der SS nach Auschwitz verschleppt wurden“, weiß Liebich. Im KZ Sachsenhausen wurde er – wie andere Kinder – als Versuchsobjekt für die Hepatitisforschung missbraucht. Nur durch Hilfe von Mithäftlingen „und getragen von seinem tiefen Glauben überlebte Saul Oren“, so Georg Liebich. Seine Erinnerungen schrieb Oren in einem Buch („Wie brennend Feuer“) auf.
In Holon, der zweiten Station Liebichs in Israel, traf er gleich drei Holocaust-Opfer: Batsheva Dagan (93), Herta Goldman (90) und Naftali Arjani (91). „Alle drei habe ich in den letzten Jahren in ,Beit Lyhiot’ , einem Kulturzentrum für Shoah-Überlebende in Holon, kennengelernt, wo sie den Gladbecker Jugendlichen ihre Lebensgeschichte erzählten und mit ihnen über die NS-Gräueltaten redeten.“ Batsheva Dagan hat Auschwitz, Ravensbrück und zwei Todesmärsche überlebt. Sie war die einzige Überlebende ihrer Familie und ist nach dem Krieg mit ihrem Mann nach Israel ausgewandert, berichtet Liebich. Sie verfasste Bücher, Gedichte und Lieder für Kinder und Jugendliche zu Holocaust-Themen und entwickelte psychologische und pädagogische Methoden, um Kindern den Holocaust zu vermitteln. „Eine Pioniertat“, so Liebich.
Die gesamte Familie wurde von den Nazis ermordet
Naftali Arjani (91) überlebte insgesamt vier Lager, seine gesamte Familie wurde von den Nazis ermordet. Arjani, so Liebich, entkam nicht nur Auschwitz, sondern auch dem Lager Plaschow, das vielen aus dem Film „Schindlers Liste“ bekannt sein dürfte: Es war das Lager, in dem Amon Göth Lagerkommandant war – bekannt wegen seiner ausgeprägten Brutalität. Herta Goldmann (90) stammte aus Schlesien und überlebte verschiedene Arbeitslager und einen fürchterlichen Todesmarsch.
„Das sind immer wieder Begegnungen, die unter die Haut gehen“, so Liebich, der seit 2013 elf Mal in Israel war, darunter acht Mal mit Jugendlichen. „Es ist ganz wichtig, das junge Leute aus Deutschland, dem Land der Täter, mit den Opfern in Kontakt kommen und ihre Schicksale weitertragen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.“
Die Auswanderung nach Israel war für alle ein Glück
Die letzte Station auf seiner Israel-Reise machte Liebich in Tel Aviv, wo er Chava Wolf (86) traf. Sie stammt aus Rumänien, wo sie als Elfjährige von den Nazis vertrieben wurde. Vier Jahre war sie auf einem schrecklichen Todesmarsch durch Osteuropa, den sie knapp überlebte. Das Malen und das Schreiben von Gedichten haben ihr bei der Verarbeitung des Erlebten geholfen. „Und ich will erzählen, was ich durchgemacht habe!“
Liebich nach seiner Reise: „So unterschiedlich diese Menschen sind, so haben sie doch alle eine Gemeinsamkeit: Sie mussten schlimmste Grausamkeiten erleiden.“ Nur mit großem Glück überlebten sie und konnten nach Israel auswandern. „Es freut sie heute, wenn junge Menschen aus Deutschland nach Israel kommen, um ihre Geschichten zu hören.“