Gladbeck. Gedenkstätten-Fahrer Georg Liebich-Eisele sprach bei dem Pogrom-Gedenken in Wittringen. Er fordert: „Schicksale der Holocaust-Opfer wach halten.“

  • In Wittringen an der Stele zur Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt fand die jährliche Pogrom-Gedenkfeier statt
  • Georg Liebich-Eisele, der bei seinen Gedenkstättenfahrten mit vielen Holocaust-Überlebenden sprach, hielt die Ansprache
  • Bürgermeister Ulrich Roland erinnerte in seiner Rede an die Gräueltaten der Nazis am 9. November 1938

Mit einem Appell, die Erinnerungen und Schicksale der Holocaust-Überlebenden wach zu halten und weiter zu tragen, rührte Georg Liebich-Eisele, langjähriger Gedenkstättenfahrer, in seiner Ansprache die Gäste bei der Gedenkfeier zur Erinnerung an die Pogromnacht 1938 gestern Nachmittag an der Stele in Wittringen.

„Wir sind Zeugen der Zeitzeugen“, mahnte Liebich-Eisele, der bei seinen 40 Gedenkstättenfahrten nach Berlin und Israel in den vergangenen 25 Jahren mit vielen Holocaust-Überlebenden sprechen konnte, die Geschichten der Nazi-Opfer nicht zu vergessen. „Nichts an dem unbegreifbaren Holocaust kann ihn begreifbarer machen als die Berichte der Zeitzeugen.“ Begegnungen mit den Holocaust-Opfern seien Momente, „die nicht vergessen werden dürfen“. Sie würden dabei helfen, so Liebich-Eisele, sich mit der „dunklen Vergangenheit“ auseinanderzusetzen und stärkten die Überzeugung, „dass sich Zeiten des Terrors nicht wiederholen dürfen“.

Zeitzeugen berichten mit einer großen Offenheit

Ihn habe beeindruckt, so der Gedenkstättenfahrer, mit welcher Offenheit und welchem Interesse die Zeitzeugen berichteten. „Ihnen gehört unser Respekt.“ Sie seien dankbar, dass sich Jugendliche aus dem „Land der Täter“ für ihre Schicksale interessierten, Menschen, die keine Verantwortung dafür trügen, was in der NS-Zeit geschah. Liebich-Eisele: „Es ist wichtig, dass sich junge Leute mit dem Thema Holocaust beschäftigen, um so auch sensibilisiert zu werden für die heutigen Probleme.“

Teilnehmer der Gedenkstättenfahrten berichteten, dass sie die Erinnerung an diesen Teil der Geschichte als „sehr schmerzhaft“ empfunden hätten. Ihnen hätten diese Erinnerungen aber auch eine positive Kraft verliehen, Brücken zu einem Miteinander zu bauen.

Bürgermeister appelliert, Menschen nicht auszugrenzen

Bürgermeister Ulrich Roland hatte zu Beginn der Gedenkstunde, die von einem Bläserkreis der Musikschule umrahmt wurde, an die Po­gromnacht 1938 in Gladbeck erinnert. Auch hier habe es Opfer der Nazi-Diktatur gegeben, sei der Betsaal im Hause von Max Kaufmann an der Horster Straße 54 zerstört und die Familie im Polizeigefängnis eingekerkert worden. Roland: „Die Ereignisse des 9. November 1938 und alle anderen Maßnahmen gegen die Juden in Gladbeck geschahen unter den Augen der Gladbecker Bevölkerung und mit ihrer Beteiligung.“ Man habe den Opfern auch ihre Heimat geraubt, sagte der Bürgermeister. Damals wie heute sei Heimat Orientierung gewesen, ein Ort, an dem man sich wohl fühle und wo man verstanden werde.

Heimat dürfe man, so der Bürgermeister, in der heutigen schnelllebigen und aufgewühlten Zeit nicht den Rechten überlassen, die versuchten, Menschen auszugrenzen. Deutschland sei Heimat aller, die hier lebten und Teil der Gesellschaft seien, unabhängig von Herkunft, Religion, Hautfarbe und Geschlecht. „Um den Wandel der Gesellschaft zu gestalten, müssen wir als Demokraten zusammenstehen“, appellierte Roland.