Gladbeck. . In einer Revue nahm das Große Blasorchester der Musikschule Gladbeck das Publikum mit auf eine Zeitreise. Es gab Musik, Tanz und Lokalhistorie.
Der Klang von elf Querflöten, neun Klarinetten, fünf Saxofonen, 13 Trompeten, sieben Hörnern, fünf Posaunen, Pauken, Percussion und mehr sorgte am Samstagnachmittag für beachtliche Klangstärke in der komplett gefüllten Mathias-Jakobs-Stadthalle. Das Große Blasorchester der städtischen Musikschule ist seit seiner Gründung im Jahre 1973 eine beliebte Institution im Kulturleben der Stadt, deshalb war es für die etwa 60 Musiker und Dirigent Rolf Hilgers mehr als logisch, ihren Beitrag zum Stadtjubiläum mit einer Reise durch die vergangenen 100 Jahre zu verbinden. Dazu hatte das Orchester den ehemaligen Stadthistoriker Rainer Weichelt als Moderator gewonnen.
Es erklang der Sound der Jahrzehnte
Dieser präsentierte auf der Leinwand das Telegramm vom 1. August 1919, das Gladbeck die Stadtrechte verlieh, und historische Fotos vom Schlosspark Wittringen, den der erste Bürgermeister Dr. Michael Jovy im Jahre 1923 seinen adeligen Eigentümern abkaufte und der Stadt zurückgab. „Wittringen als Geschenk für alle Bürger der Stadt wäre ohne Stadtwerdung nicht denkbar gewesen“, erklärte er, „das war eine demokratische Leistung. Die Stadtväter wollten möglichst viel Natur und frische Luft über Tage schaffen, als Ausgleich für die schwierigen Bedingungen unter Tage. Gladbeck wurde in den 20er Jahren als die vorbildliche Gartenstadt unter den Bergbaustädten gelobt.“ Das Orchester ergänzte diese Präsentation mit Jazz und Filmschlagern aus den 20er Jahren.
Adolf Hitler war zu Gast im Gladbecker Stadion
Die Filmmusik von „Schindlers Liste“ erinnerte an das dunkelste Kapitel der Gladbecker Geschichte: die NS-Zeit. Fotos von Adolf Hitlers Wahlkampfauftritt im Jahr 1932 im Gladbecker Stadion und den Zerstörungen nach den Bombenangriffen 1943 folgten.
„Sie merken, das Leben wird schneller, die Musik auch“, stellte Weichelt fest, als er auf den Wiederaufbau Gladbecks nach dem Weltkrieg zu sprechen kam. In der Tat versetzten ein vom Orchester gespieltes Elvis-Presley-Medley und eine stilechte Darbietung der siebenköpfigen Ballett-Kompanie das Publikum in die 50er und 60er Jahre.
„So wie die Tänzer jetzt die Bühne zum Beben gebracht haben, bebte damals die Gesellschaft. Das Wirtschaftswunder brach sich Bahn. Aber es gab auch radikale Umbrüche: Strukturwandel, Kohlekrise und Demonstrationen gegen Betriebsschließungen.“ So brachte diese Zeit auch die Geburtsstunde des Stadtteils Rentfort-Nord und die Schließung der Zeche Graf Moltke 1971, mit der der Steinkohlebergbau in Gladbeck – nach 93 Jahren – endgültig endete.
Die Ballett-Abteilung der Musikschule tanzte
Ausgezeichnete Musiker
Vier Musiker erhielten Urkunden für ihre langjährige Orchestermitgliedschaft: Judith Nowak (Saxofon: zehn Jahre), Benjamin Koriath (Trompete: 15 Jahre), Stefan Murrenhoff (Posaune: 15 Jahre) und Kathrin Bittermann (Klarinette: 25 Jahre).
Auch bei der Feier zum Baubeginn der Mathias-Jakobs-Stadthalle (1985) spielte das Blasorchester. Sieben Mitglieder von damals sind heute noch dabei.
„Was haben Gladbeck und ABBA gemeinsam, abgesehen von hübschen Frauen?“, fragte Weichelt das Publikum in Anspielung auf das Programm des Orchesters. „Beide erlebten 1974 ihr Waterloo.“ Mit diesem Lied gewannen die schwedischen Stars den Grand Prix, im selben Jahr drohte der Stadt Gladbeck die Eingemeindung nach Bottrop und damit das Aus der seit 1919 bestehenden Selbstständigkeit. Doch eine WAZ-Seite von 1975 zeigte an, dass die „Glabotki“-Lösung gekippt wurde.
Musikschulleiter Rolf Hilgers dirigierte im Bergmannsanzug
Abschließend bewies das Orchester mit „Thriller“, „Eye Of The Tiger“, „Born This Way“ und mehr sein Können. Bei „Despacito“ mischte erneut die Ballett-Kompanie mit. Der Titel „Go West“ – „Zieht in den Westen“ – passte besonders gut zu dem Motto der vielen Bergbau-Immigranten in Gladbeck. Mit dem gemeinsam gespielten und gesungenen Steigerlied, dirigiert von Musikschulleiter Rolf Hilgers im Bergmannsanzug, endete die peppige und kunterbunte Revue.