Gladbeck. . Die Jugendhilfe Junikum bringt Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen in Gastfamilien unter. Für die Betroffenen oft die letzte Chance.
Die Gesellschaft für Jugendhilfe und Familien, kurz Junikum, unterstützt Kinder und Jugendliche sowie deren Familien in komplizierten Lebenssituationen. Zum Angebot zählt auch das Konzept JuMeGa: Junge Menschen in Gastfamilien. Bei den „Gästen“, das erfuhr der Jugendhilfeausschuss in seiner jüngsten Sitzung, handele es sich um Jugendliche, die eine schwere Biografie hinter sich haben.
Der Vater: Alkoholiker. Die Mutter: psychisch am Ende
Sebastian (14) hat es innerhalb von zwei Jahren zu Aufenthalten in acht Jugendhilfeeinrichtungen gebracht. Ohne Erfolg. Dann landete er auf der Straße. Der Vater: Alkoholiker. Die Mutter: psychisch am Ende. Sebastian hatte von Anfang an keine große Chance auf ein normales Familienleben. Das lernte er erst in einer Gastfamilie kennen, die ihn für eine gewisse Zeit bei sich aufgenommen hat.
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Auch Kevin war ungefähr so alt – als er seine Mutter mit einer Eisenstange ums Haus jagte. „Da war erst einmal Funkstille in der Familie. Wir haben für Kevin zum Glück relativ schnell eine Gastfamilie gefunden“, sagt Wolfgang Bröer.
Der Bereichsleiter Pädagogik vom Junikum nutzte diese beiden anonymisierten Fälle, um der Politik im Ausschuss zu erklären, was die Jugendlichen in der Regel schon alles hinter sich haben, bevor sie von JuMeGa aufgefangen werden.
In Gladbeck gibt es aktuell eine Gastfamilie
Mit 15 Jugendämtern in ganz Deutschland arbeitet das Junikum-Team mittlerweile mit dem JuMeGa-Konzept zusammen. In Gladbeck gibt es aktuell eine Gastfamilie und ein junges Mädchen, das so untergebracht ist. „Wir sind eigentlich immer auf der Suche nach Gastfamilien, vor allem für die älteren Jugendlichen“, so Bröer. Das Konzept ist für Jungen und Mädchen im Alter von zwölf bis 18 Jahren gedacht. Der Aufenthalt in den Familien geht von wenigen Monaten bis zu ein oder zwei Jahren.
Die Gastfamilien, auch das stellte Bröer klar, benötigen kein pädagogisches Fachwissen. Verlangt werden aber ein Führungszeugnis und eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Außerdem muss in der Wohnung ein Zimmer mit Bett frei sein. Das Angebot gilt als Vollzeitpflege. Daher werden die Gastfamilien auch eingehend vom zuständigen Jugendamt geprüft.
Alle Gruppenkonzepte der Jugendhilfe haben nichts gebracht
Bei den Jugendlichen, die in das Programm aufgenommen werden, haben in der Regel zuvor alle Gruppenkonzepte der Jugendhilfe nichts gebracht. „Oft ist eine Gastfamilie die letzte Chance vor einem Auslandsaufenthalt“, so Bröer. Das Leben in der Familie soll ihnen die Normalität wieder ein Stück näher bringen. Dabei werde den Jugendlichen klar gemacht, dass da auf keinen Fall neue Eltern für sie gesucht werden. Und auch der Familie müsse klar sein: Da kommt ein Gast, der sich auch jederzeit wieder verabschieden kann.
Oft werden die Jugendlichen bewusst weiter weg von ihren Familien, in einem ganz neuen Umfeld untergebracht. Den Kontakt zu den Eltern hält das Team vom JuMeGa-Fachdienst. Der ist auch für die intensive Betreuung der Gastfamilien zuständig. So stellt der Fachdienst zum Beispiel auch eine 24-Stunden-Erreichbarkeit sicher, um die Gastfamilien in Krisensituationen so rasch wie möglich unterstützen zu können.
Normalität hinterlässt positive Spuren
Von den Politikern im Jugendhilfeausschuss gab es Anerkennung für diese intensive Form der Jugendhilfe. Aber auch die Frage nach den Erfolgsaussichten von JuMeGa. Erfolg, gab Wolfgang Bröer offen zu, sei bei diesen schwierigen Fällen oft nur schwer darzustellen.
„Alkohol, Drogen, Gewalt, Kriminalität, vielleicht auch schon eine abgebrochene Therapie. Die Jugendlichen haben oft schon jede Menge durchgemacht“, betonte der Pädagoge. „In vielen Fällen kommt es aber zu einer Beruhigung der Situation, und das ist schon viel wert.“ Viele dieser Jugendlichen seien im Laufe der Zeit zu echten Profis „im Abbrechen von Beziehungen“ geworden. Da würde jede Zeit in einem normalen Umfeld schon positive Spuren hinterlassen. „Wir hatten auch schon Jugendliche, die haben das Ganze abgebrochen, weil sie mit der Nähe zur Gastfamilie nicht klar gekommen sind“, erklärte Bröer. Dann funktioniere es eventuell in einer anderen Familie mit etwas mehr Distanz.
Unter den Gastfamilien sind Alleinerziehende und auch Rentner
Gesucht werden darüber hinaus aber auch immer Unterbringungsmöglichkeiten nur für einen kurzen Zeitraum. Wenn ein Jugendlicher zum Beispiel ganz plötzlich ein neues Umfeld benötige, das dann aber nicht unbedingt eine Gastfamilie gleich für mehrere Monate sein muss. Bröer: „Unter den Gastfamilien haben wir Alleinerziehende, Rentner und auch Paare, wo die Kinder gerade das Haus verlassen haben. Je bunter der Mix, desto besser die Chance einer Vermittlung.“