Gladbeck.. Fünf Minderjährige, die ohne Begleitung vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchtet sind, haben beim Junikum in Gladbeck ein Zuhaue gefunden.


Sie haben Entsetzliches erlebt – in ihrer Heimat und auf ihrer Flucht. Umso unvorstellbarer sind diese Schicksale, wenn es sich um ganz junge Menschen handelt. Fünf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben beim Junikum – Gesellschaft für Jugendhilfe und Familien in Gladbeck – ein vorübergehendes neues Zuhause gefunden.

Sie sind zwischen 15 und 17 Jahre alt, kommen aus Syrien, Afghanistan, Irak und Iran. Manche haben sich ganz allein auf den Weg ins Ungewisse gemacht, andere sind von ihren Eltern Verwandten anvertraut worden, die sie auf der langen Flucht verloren haben. Sie haben tausende Kilometer Fußweg hinter sich oder eine lebensgefährliche Überfahrt auf einem klapprigen und überfüllten Boot. „Und sie sind einfach nur glücklich und dankbar, jetzt in Sicherheit zu sein“, sagt Thomas Reil, Bereichsleiter Pädagogik beim Junikum. „Und dass sie hier, nach einem Zwischenstopp im Sammellager, sogar ein eigenes Zimmer haben, betreut und versorgt werden, empfinden sie fast als Luxus.“

Die minderjährigen Flüchtlinge seien in ihren Wohngruppen sehr herzlich aufgenommen worden, hat Thomas Reil beobachtet „Die Hilfsbereitschaft der Kinder und Jugendlichen, die schon länger bei uns wohnen, ist riesig.“ Sie seien zum ersten Mal mit Flüchtlingsschicksalen direkt konfrontiert. „Da passiert auch mit den deutschen Jugendlichen etwas.“

Für die Junikum-Mitarbeiter bedeuten die fünf jungen Menschen neue Herausforderungen. Es gilt, in den ersten Monaten vorsichtig herauszufinden, was die jungen Menschen bewegt, was sie erlebt haben, was sie sich für die Zukunft wünschen, um gemeinsam Perspektiven zu entwickeln. Und es gilt, ihnen beizustehen, wenn sie von Heimweh übermannt werden. „Sie leben in ständiger Angst und Sorge um ihre Familie und die Freunde daheim. Ihr Handy ist quasi die Nabelschnur zu ihnen. Manchmal lächeln sie ihre Sehnsucht weg, aber oft bricht die Traurigkeit auch aus ihnen heraus“, sagt Thomas Reil.

Was sie erlebt haben, erzählen die jungen Flüchtlinge eher bruchstückhaft. Ein Junge aus Syrien braucht die professionelle Hilfe eines Traumatherapeuten. Er schaut sich immer wieder die schrecklichen Fotos an, die er während seiner Flucht gemacht hat. „Die anderen kommen ohne Therapie zurecht, denn sie sind ja nicht nur Opfer. Wie stark, selbstständig und klug sie sind, haben sie mit ihrer Flucht bewiesen“, sagt Thomas Reils Assistent Mathias Haase.

Bei den deutschen Kindern und Jugendlichen legt das Profiteam des Junikum einen Schwerpunkt auf Elternarbeit. „Unser Ziel ist, Eltern und Kinder so zu stärken, dass die Familien wieder zusammen leben können.“ Dieses Standbein der Arbeit entfällt bei den jungen Flüchtlingen. Sie müssen fit gemacht werden für ein selbstständiges Leben. Das Zeitfenster dafür ist eng bemessen. Der Anspruch auf Jugendhilfe erlischt im Regelfall mit 18 Jahren, und bisher haben die fünf jungen Menschen nicht einmal Plätze in einer Integrationsklasse.

Das Junikum-Team versucht, ihnen neben ganz praktischen Fertigkeiten wie Haushaltsführung und Umgang mit Geld während der Wartezeit auch schulische Inhalte zu vermitteln, vor allem Grundkenntnisse der deutschen Sprache. „Bildung ist diesen jungen Menschen ungeheuer wichtig, weil sie alle ein Ziel haben“, sagt Thomas Reil: „Sie wollen hier so viel wie möglich lernen und dann nach Hause zurückkehren, um mit ihren Qualifikationen zu helfen, die Heimat wieder aufzubauen, in der dann hoffentlich wieder Frieden herrscht.“