Gladbeck. . Alexander Borchard ist neuer Leiter des Museums der Stadt Gladbeck. Er möchte Besucher emotional berühren. Exponate sollen Erfahrungen spiegeln.
Kann er sich an seinen ersten Besuch in einem Museum erinnern? Und ob! Das war im Bergbaumuseum in Bochum. Diese Erfahrung blieb Alexander Borchard unvergessen. Er erzählt: „Wir konnten unter Tage fahren.“ Das war für den Jungen schon etwas Besonderes. Dass er einmal als Erwachsener ein Museum leiten würde, das kam dem Kind nicht in den Sinn. Doch so ist es gekommen: Alexander Borchard ist neuer Hausherr der städtischen Sammlung in Wittringen.
Nachfolge von Dr. Christine Schönebeck
Der 36-Jährige hat die Nachfolge von Dr. Christine Schönebeck angetreten, die sich nach Lippstadt verabschiedet hat. Ein Jahr war der Führungsposten vakant, bevor in einem 37-köpfigen Bewerberfeld Alexander Borchard das Rennen um die Stelle gewann. Der gebürtige Düsseldorfer, der mittlerweile in Dortmund zu Hause ist, erzählt: „Ich habe mir das Museum in Gladbeck inkognito angeguckt, bevor ich eine gezielte Bewerbung abgeschickt habe.“ Bauwerk und Gelände – „einfach fantastisch!“ Borchard findet: „Die Ausstellung passt zum Charakter des Hauses.“ Und das habe ihn sehr angesprochen.
Lieblingsobjekte gefunden
Er stellt fest: „Das Kernkonzept nimmt die Entwicklung Gladbecks in den Fokus: vom Dorf zur Stadt, von der Migration zur Integration.“ Und diese Lokalhistorie hat viele Facetten. Borchard schreitet durch die Ausstellungsräume in dem vielgelobten Gemäuer und geht dort selbst auf Entdeckungstour. In einigen Ausstellungsräumen hat er sogar schon so etwas wie Lieblingsobjekte für sich ausgemacht. So ist ein Bett mit Schnitzereien, in das sich Menschen anno 1781 kuschelten, für den neuen Hüter hiesiger Historie nicht nur ein Blickfang. Der gelernte Tischler findet es schön, „so ein Möbel zu entdecken“. Er stellt voller Bewunderung und Respekt die Frage in den Raum: „Wie haben die Leute früher ohne Schraubenzieher und Nägel solche Gegenstände gebaut?“
Geschichte zum Anfassen
Handwerklicher Kunst und Fertigkeit begegnet Borchard an seinem neuen Arbeitsplatz auf Schritt und Tritt. Da wäre beispielsweise der imposante und pompöse Altar aus dem ehemaligen Kloster Leuchterhof in Marl. Und auch die Wände, die vom einstigen Eikempers Kotten stehen geblieben sind, begeistern Borchard: „Es ist toll, dass hier überhaupt ein Fachwerk aufgebaut ist.“
Über die knarrende Holztreppe hinauf ins Obergeschoss, betritt der Museumsleiter die Welt der Bergleute. Und gerade der nachgebaute Stollen mit der Heiligen Barbara sowie Küche und Schlafkammer dürften bei Besuchern Erinnerungen an vergangene Tage wecken. Zeiten, die Ältere vielleicht noch selbst erlebt haben, oder von denen Großeltern erzählten. Auch hier hat Borchard einen Lieblingsplatz erkoren: der nachgestellte Hinterhof mit Wäscheleine, Fahrrad und Karnickelstall: „Museen sind für mich stets Orte, an denen Menschen Geschichte lebendig erfahren können.“
Erfahrbar mit Herz, Hand und Verstand
Und eben diese Historie der Stadt und ihrer Bewohner will er mit „Herz, Hand und Verstand“ erfahrbar machen. Das werde auch bei der Umgestaltung der Dauerausstellung zum Tragen kommen. Und der Mann, der selbst als Allrounder zupacken kann, kann sich auch taktile Elemente vorstellen. Warum sollten Besucher nicht einmal ganz praktisch erfahren, wie ein Flachshechel eingesetzt wird?. Eine Demonstration, vergleichbar einem Freilichtmuseum, kann sich der 36-Jährige vorstellen.
Sportgeschichtliche Ausstellung
„Eine sportgeschichtliche Ausstellung über Gladbeck“ schwebt ihm ebenfalls vor. Wer hat schon so ein Prunkstück wie eine 120 Jahre alte Vereinsfahne, wie die des TV Einigkeit in seinem Bestand? Sehr am Herzen liegt ihm die Arbeit mit Kindern. Deshalb steht die Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten oben auf der Prioritätenliste. Schließlich ist der Nachwuchs das Museumspublikum von morgen.
Borchard ist gelernter Tischler
Über Umwege kam Alexander Borchard zu seinem Beruf „Museumswissenschaftler“. Nach dem Abitur wechselte der heute 36-Jährige nicht etwa an eine Universität, sondern schloss eine Tischler-Ausbildung an. Er sagt mit einem Augenzwinkern: „Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie. Da lernt man erst mal etwas Vernünftiges.“
Er mag das Arbeiten mit Holz – immer noch. „Mein Onkel war auch Tischler“, sagt Borchard. Also war es für ihn naheliegend, dieses Handwerk zu lernen.
Studium in Bochum und Leicester
Aber Borchard hatte einen Plan B in der Schublade: Er wollte akademisch arbeiten, studierte in Bochum und im englischen Leicester. Englische Geschichte des Mittelalters und Urzeitgeschichte – „nicht auf Lehramt“ – sowie Museumswissenschaften waren seine Fächer. Eine Station in seinem beruflichen Werdegang ist das Deutsche Sport & Olympia Museum in Köln. In der Domstadt betreute Borchard als Kurator die Ausstellungen „EiskunstLEBENSLAUF“ und „Humanität und Sport – 100 Jahre DLRG“. Im niederrheinischen Moers, wo er im Grafschafter Museum tätig war, ließ er in einer mittelalterlichen Spiel- und Lernstadt für Kinder das Leben vor mehr als 500 Jahren wieder lebendig werden.