Gladbeck. Vor fast 150 Jahren begann die Bergbauzeit in Gladbeck. Sie endete vor gut 50 Jahren, aber Spuren der Zechen und Kumpel sind bis heute präsent.

Gladbeck war ein verschlafenes Nest, als 1873 mit dem Abteufen des Bergwerks „Rieckchen“ draußen vor den Toren des Dorfes eine neue Epoche begann. Die Gladbecker feierten das Ereignis – ohne zu ahnen, was auf sie und ihr dörfliches Leben zukommen würde. Die Industrialisierung rückte unaufhaltsam vor und sollte die ländliche Idylle nachhaltig verändern.

Fast 100 Jahre – bis 1971 – prägte der aktive Bergbau Gladbeck, sorgte für Zuwanderung, wirtschaftliche Dynamik und Investitionen in die Infrastruktur und den Wohnungsbau: Aus dem Dorf Gladbeck erwuchs eine florierende Stadt mit einem funktionierenden gesellschaftlichen Zusammenhalt. Fünf Zechen waren es, die Gladbeck groß machten und in Spitzenzeiten mehr als 15 000 Kumpel eine Arbeit boten In besten Zeiten wurden nahezu sieben Millionen Tonnen Kohle jährlich gefördert.

WAZ nimmt mit einer Serie Abschied vom Kohle-Bergbau

Die WAZ Gladbeck wird in den nächsten Wochen und Monaten Abschied vom Kohle-Bergbau nehmen, der Ende des Jahres mit dem „Schicht am Schacht“ bei Prosper in Bottrop unwiderruflich zu Ende geht. Bis heute beeinflusst er die Stadt: Sei es, dass es immer noch aktive Kumpel in der Stadt gibt, viele, viele Gladbecker in alten Zechensiedlungen leben oder Halden und ehemalige Zechengelände nach wie vor das Stadtbild prägen.

Zum Auftakt der Abschiedsserie gibt es einen historischen Überblick über die Pütts: zweimal Moltke, Stinnes, Möllerschächte und Zweckel. Begonnen hat alles mit der Zeche Rieckchen, die 1879 in Bergwerk Graf Moltke umbenannt wurde – zu Ehren von Generalfeldmarschall Helmuth Graf Moltke .

Mit dem Pütt nahe der Gladebecke wagten die Bergbaupioniere seinerzeit einen weiteren Schritt nach Norden, nachdem knapp zehn Jahre zuvor mit der Zeche Nordstern in Horst erstmals ein Pütt nördlich der Emscher abgeteuft wurde.

Zechenbarone fürchteten das mächtige Deckgebirge

Lange fürchteten die Zechenbarone das mächtige und wasserreiche Deckgebirge und die menschleere, entlegene Gegend ohne Bahnanschluss. Trotzdem trauten sich noch während des Krieges 1870/71 wagemutige Unternehmer in die Gegend und unternahmen Probebohrungen. Ein Essener Unternehmer namens Winter war noch erfolglos, Friedrich Köhne, der Grubendirektor der Zeche Vereinigte Sellerbeck in Mülheim, erreichte dagegen im November 1871 bei einer Bohrung 350 Meter nordwestlich der Dorfkirche (heutige Postallee/Ecke Mittelstraße) in 338,72 Meter Teufe einen Steinkohlenflöz. Noch an zwölf weiteren Stellen rund ums Dorf wurde er fündig.

Köhne erhielt vom damaligen Landesherrn, dem Herzog von Arenberg, die Rechte, die 13 Grubenfelder abzubauen. Doch er wollte sie nicht selbst erschließen, verkaufte drei Grubenfelder (Rieckchen, Gretchen und Anna) an ein Konsortium aus fünf Unternehmern, die zwei Jahre später Gladbecks Bergbau-Ära einleiteten – der Auftakt zum Bergbau in Gladbeck.

Das erste Bergwerk Graf Moltke entstand am Rande des Dorfes als Zeche Rieckchen

Der Tross der Arbeiter an der Verladung der Zeche Graf Moltke 1/2 im Jahre 1903. Seit 1877 wurde bereits das Schwarze Gold auf Gladbecks erstem Pütt gefördert.  
Der Tross der Arbeiter an der Verladung der Zeche Graf Moltke 1/2 im Jahre 1903. Seit 1877 wurde bereits das Schwarze Gold auf Gladbecks erstem Pütt gefördert.   © Repro: Oliver Mengedoht

Am 3. Oktober 1873 begannen die Abteufarbeiten für Gladbecks erste Zeche, die zunächst Rieckchen hieß. Der erste Bergmann des Dorfes, ein Mann namens Lindemann, machte den ersten Spatenstich.

Als Standort des Pütts, zu seiner Zeit der nördlichste des Ruhrgebietes, hatte die Gewerkschaft (Bergwerksgesellschaft) das Gelände des Bauern Schulte-Rentrop in Butendorf ausgeguckt, dem sie 25 Morgen für 75 000 Mark abkauften: Der genaue Schachtansatzpunkt lag 800 Meter südlich der Dorfkirche und 200 Meter westlich des an der Landstraße gelegenen Bauernhofes. Der nahe gelegene Wittringer Mühlenbach erlaubte eine leichte Ableitung der Abwässer, die Landstraße eine An- und Abfuhr der Materialien (die Horster Straße gab es noch nicht).

80 Männer umfasste die Abteuf-Mannschaft

Rund 80 Männer umfasste die Belegschaft in den ersten Jahren während der Abteufarbeiten. Das Abteufen stand unter keinem guten Stern – es dauerte länger wegen der in großer Tiefe liegenden Kohle und wegen Kapitalmangels infolge einer konjunkturellen Flaute. Außerdem soff der Schacht im Juni 1874 ab. Erst im Januar 1876 erreichten die Pioniere die Kohleschicht, die erste Sohle wurde gesetzt.

Es dauerte aber noch bis zum 22. Oktober 1877, bis die erste Kohle aus 458 Meter Tiefe Gladbecker Licht erblickte – am Ende des Jahres waren 1140 Tonnen gewonnen. Schon 1877 wurde eine zweite Sohle gesetzt. 1878 förderten 85 Kumpel auf Rieckchen 7194 Tonnen, 1880 waren es knapp 16 000 Tonnen bei einer Belegschaft von 211 Mann.

Schon zur Förderaufnahme waren Tagesanlagen auf dem Feld entstanden: ein Kesselhaus mit sechs Dampfkesseln, ein Malakowturm, Fördermaschine, Kaue und Verwaltungsgebäude. So veränderte sich in Gladbeck, das 2800 Seelen zählte, auch rein optisch das Leben.

Aus "Riekchen" wurde "Graf Moltke"

1879 bekam die Zeche „Rieckchen“ ihren neuen Namen: „Graf Moltke“. Im gleichen Jahr erhielt der Pütt den schon herbeigesehnten Eisenbahnanschluss. Bis dahin hatte der Fuhrunternehmer Bischoff im Akkord den Abtransport mit Pferdefuhrwerken erledigt. Mit dem Eisenbahnanschluss wuchs die Förderung rapide: Ende 1880 förderte Moltke täglich 250 t Kohle,1882 400 t.Die Jahresförderung lag bei rund 100 000 t, die Belegschaft zählte 378 Köpfe. 15 Flöze waren bereits erschlossen. 1884 entschloss sich der Grubenvorstand, einen zweiten Schacht abzuteufen, der vier Jahre später Steinkohle erreichte. Schon 1889 wurde die Kokerei mit 50 Öfen gebaut, da beschäftigte der Pütt 1326 Bergleute.

Zur Jahrhundertwende zählte Graf Moltke zu den modernsten Zechen des Ruhrgebietes und entwickelte einen spektakulären Plan: Ganz in der Nähe sollte ein zweites Bergwerk als Großschachtanlage und Verbundzeche entstehen: Moltke 3/4. Mehr und mehr wurde die Förderung dorthin verlagert, dennoch wurde auch noch auf Moltke 1/2 investiert: Die Tagesanlagen wurden erneuert und erweitert, unter Tage wurden beide Schächte tiefer bis auf die 4. Sohle gelegt. Dennoch wurde 1932 am alten Standort die Förderung eingestellt. Er diente aber noch bis 1971 als Seilfahrtsstandort und der Bewetterung.

Moltke 3/4 galt einst als Mustergrube im Kohlen-Revier

Die Zeche Graf Moltke 3 /4 in einer frühen Aufnahme. Sie wurde ab Mai 1900 abgeteuft und Ende der 20er Jahre zur Großschachtanlage ausgebaut.  
Die Zeche Graf Moltke 3 /4 in einer frühen Aufnahme. Sie wurde ab Mai 1900 abgeteuft und Ende der 20er Jahre zur Großschachtanlage ausgebaut.   © Repro: von Staegmann

Felder, Wiesen, ein paar Höfe und Kötter – mehr gab es nicht, als die Eigentümer des Bergwerkes Graf Moltke im Mai 1900 auf der Schwelle zwischen Butendorf und Brauck – etwa 1,5 Kilometer südwestlich vom alten Pütt – mit dem Abteufen eines dritten Schachtes begannen. Vorrangig ging es um eine bessere Bewetterung von Moltke 1/2, geplant war aber gleich auch eine zweite Doppelschachtanlage, um die Förderung entscheidend zu steigern.

1900 schürften auf Moltke 2225 Kumpel gut 615 000 Tonnen „Schwarzes Gold“. Angepeilt war eine schnelle Steigerung der Förderung auf mehr als 900 000 Tonnen an. Mit Schacht 3 entstanden bis Frühjahr 1902 gleichzeitig eine Verladehalle und Sieberei, zwei Fördermaschinen, ein Kesselhaus, ein Zentralmaschinenhaus (mit neuesten Maschinen für Licht- und Kraftzwecke), Werkstätten und eine Kaue für 2500 Kumpel. Am 1. April 1902 begann die Förderung.

1902 wurde Schacht IV abgeteuft

Schon im Juni 1902 begann man nur 47 Meter von Schacht drei entfernt mit dem Abteufen von Schacht vier, 1904 wurde die 3. Sohle in 536 Meter Teufe gesetzt. Im gleichen Jahr wuchsen die Tagesanlagen um eine Kokerei mit 80 Öfen – Graf Moltke galt damals als Musterbergwerk und nahm einen gewaltigen Aufschwung. 1906 wurden über 1,1 Mio t Kohle gefördert. Die Belegschaft (mit 1/2) hatte die 3000er Marke überschritten. 1913 ging eine neue Kokerei in Betrieb. Moltke zählte vor Kriegsbeginn über 4400 Kumpel – lange spitze. 1926 förderten 3253 Mann 1,26 Mio t Kohle.

Zwei Jahre später wurde beschlossen, Moltke 3/4, wo die größeren Kohlenvorräte lagen, zur Großschachtanlage auszubauen. Die 4. Sohle wurde zur Hauptfördersohle, die 3. zur Wettersohle. Mit Start der Zentralkokerei auf Nordstern war 1930 Schluss mit der Kokerei auf Moltke, und 1932 wurde die Förderung auf Moltke 1/2 eingestellt. 1929 hatte die Zeche mit 1,46 Mio t Kohleförderung noch einmal einen Höchststand. 3660 Kumpel waren auf Moltke angelegt.

Wirtschaftskrise traf auch den Pütt

Infolge der Wirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre sackte die Förderung auf 526 000 Tonnen, die Zahl der Bergleute schrumpfte auf nur noch 1062. Der 2. Weltkrieg verlief für die Moltke-Schächte recht glimpflich, die Förderung konnte lange aufrecht erhalten, Schäden schnell behoben werden. 1959 arbeiteten auf dem Pütt 3300 Menschen. Mit einer Förderung von 3067 Kilo pro Mann und Schicht durchbrach die Zeche 1965 noch eine gefeierte Schallmauer.

1970 lag die Tagesförderung bei 4500 Tonnen, die Jahresleistung bei 1,25 Mio t Kohle – Moltke wurde eine hohe Produktivität bescheinigt. Allerdings nützte das nicht viel: Im August 1970 bestätigte die RAG Schließungsgerüchte. Am 12. November 1971 wurde die letzte Förderschicht gefahren. Die Belegschaft zählte noch 2000 Mann, die meisten wurden nach Hugo verlegt. Damit endete die Geschichte von Graf Moltke genau 100 Jahre nach den ersten Probebohrungen.

Möllerschächte: Erst kam Thyssen, dann der preußische Staat

Bergleute auf Möller aus dem Revier 3 posieren 1911 für den Fotografen vor dem Fördergerüst.  
Bergleute auf Möller aus dem Revier 3 posieren 1911 für den Fotografen vor dem Fördergerüst.   © Stadtarchiv Gladbeck

Mit einem Extrablatt feierte die Gladbecker Zeitung am 7. August 1900 die Abteufarbeiten der neuesten Gladbecker Schachtanlage, der späteren Möllerschächte in Rentfort: In 425 Meter Tiefe war man auf Kohle gestoßen. „Eine Zeche von eminenter Bedeutung für unsere Gemeinde!“, hieß es.

Schon 1876 waren verschiedene Grubenfelder in Rentfort unter dem Namen „Vereinigte Gladbeck“ konsolidiert (zusammengeführt) worden. Einer der Investoren war der Unternehmer August Thyssen, der ab 1881 mehr und mehr Anteile aufkaufte. 1896 gehörte ihm die Gewerkschaft allein – und im gleichen Jahr begannen auf einem Feld von Bauern Bergermann die Abteufarbeiten von Schacht „Thyssen 1“.

Nur ein Jahr später folgte das Abteufen eines zweiten Schachtes. Und nur ein paar Kilometer südwestlich auf Bottroper Gebiet ließ Thyssen sogar zwei weitere Schächte – Professor 3 und 4 – abteufen (die späteren Rheinbaben-Schächte). 1901 gingen die Thyssen-Schächte, ein Jahr später die Professor-Schächte in Betrieb. Kurz nach Aufnahme der Förderung verkaufte Thyssen die Doppelschachtanlage für 36 Mio Mark an den preußischen Staat.

Namensgeber war der preußische Handelsminister Theodor von Möller

Verwaltet wurde die Rentforter Zeche, die nun „Möller“ nach dem preußischen Handelsminister Theodor von Möller hieß, und ihre Schwesterzeche „Professor“, die nun den Namen des preußischen Finanzministers Georg Freiherr von Rheinbaben trug, von der Königlichen Preußischen Berginspektion 2, die einen Sitz am Bernskamp (heute Musikschule) erhielt.

Möller und Rheinbaben entwickelten sich unter staatlicher Führung von Anfang an recht gut. 1913 waren schon 7137 Männer auf den beiden Bergwerken angelegt, sie förderten bereits über 1,8 Mio t Kohle. Die Belegschaft wuchs noch auf 8421 Mann (Höchststand 1921). Mit den Möllerschächten, die Neubergleute aus allen Teilen Deutschlands anlockte, entstanden die Stadtteile Rentfort, Ellinghorst und Schultendorf.

Schon 1911 wurde auf Zeche Möller kräftig investiert: eine Kokerei kam dazu, 1915 in Ellinghorst – genau zwischen Möller und Rheinbaben – der Wetterschacht. 1938 wurde untertägig ein Querschlag zwischen die Schwesterschachtanlagen Möller und Rheinbaben geschlagen. Die 4. Sohle (seit 1930) lag bei 590 Meter. Vor dem Krieg förderten die Möllerschächte 600. 000 Tonnen.

4200 Bergleute arbeiten im Verbund

Den Krieg überstand die Zeche einigermaßen gut und lief „bald wieder auf vollen Touren“. Aber neue Investitionen in den 50er Jahren waren bereits mit einem Rückbau verbunden. 1958 wurden Möller/ Rheinbaben untertägig verbunden, nachdem die 5. Sohle in 850 Meter Teufe in Betrieb ging. 1959 arbeiten auf Rheinbaben und Möller zusammen 4200 Bergleute, 1420 davon auf Möller. Die Tagesförderung sprang noch einmal auf 6100 Tonnen.

Mit dem Anstieg der Produktivität sank 1964 die Zahl der Mitarbeiter auf 3710. Mitte der 60er Jahre waren die Kohlevorräte der 4. Sohle erschöpft, der Abbau konzentrierte sich vollends auf die 5. Sohle. Erste Planungen für eine weitere, die 6. Sohle liefen. Doch es sollte anders kommen: Im November 1966 fasste die Hibernia den Beschluss, Möller/Rheinbaben zum 1. April 1967 stillzulegen.

Die Zeche Zweckel hieß bis zum Förderstart zunächst Potsdam

So sah der Eingang der Zeche Zweckel in den 1920-er Jahren aus.
So sah der Eingang der Zeche Zweckel in den 1920-er Jahren aus. © Stadtarchiv Gladbeck

Ursprünglich hieß es Potsdam, Gladbecks fünftes Bergwerk – die spätere Zeche Zweckel. Erste Bohrungen im grünen und gänzlich ländlichen Zweckel waren bereits Anfang der 1870er Jahre vielversprechend verlaufen.

Das riesige Steinkohlenfeld, das man zwischen Zweckel und Scholven ausgemacht hatte, wurde zunächst im östlichen Teil dem Essener Grubenverwalter Friedrich Brandenbusch verliehen, der 1875 auch das Bergwerk „Berlin“ (später Zeche Scholven) gründete. In Zweckel erwarb die Gewerkschaft „Deutscher Kaiser“ aus Hamborn 1896 die Rechte für die dortigen Steinkohlenfelder. Noch bevor mit dem Abteufen der späteren Doppelschachtanlage in Zweckel begonnen wurde, erfolgte die Konsolidierung mit dem benachbarten Grubenfeld in Scholven. Die neue Grube erwarb 1902 der preußische Staat und stellte sie unter die Leitung der „Berginspektion 5“. Das dazu gehörige, repräsentative Verwaltungsgebäude entstand an der Feldhauser Straße.

An beiden Standorten begann man 1908 mit dem Niederbringen der Schächte: „Potsdam“ in Zweckel (auf einem Feld des Hofes Mertmann), „Berlin“ in Scholven. Nur wenige Wochen später wurde mit dem Abteufen von Schacht 2 begonnen. Um die Schachtanlage entstanden schnell Kesselhaus, Waschkaue und Füllörter. In Scholven wurde parallel die Schwesterschachtanlage gebaut. In 378 Metern Teufe erreichten die Zweckel-Pioniere im September 1909 das Steinkohlen-Deckgebirge. Im Januar 1910 waren 558 Meter Teufe erreicht. Im gleichen Jahr erfolgte die Umbenennung der beiden Schachtanlagen in Zweckel und Scholven.

1911 wurde die erste Kohle gefördert

1911 wurde die erste Kohle - 218 t - aus der Zweckeler Grube gefördert. 1912 holten 448 Kumpel bereits 21 571 t Kohle aus der Grube, ein Jahr später waren auf Zweckel schon 771 Beschäftigte tätig, die 97 731 t „Schwarzes Gold“ förderten. Im gleichen Jahr entstand die Kokerei auf dem Zechengelände. Es wurde viel investiert: Zechen- und Pförtnerhaus, Solbad, Zentralmaschinenhalle mit Fördermaschinenhäusern, Werkstattgebäude, Sieberei und Verladung. Zu Kriegsbeginn 1914 waren die Schächte auf 650 Meter abgeteuft. 1918 wurde eine dritte Sohle in Betrieb genommen. 1921 machten 2327 Kumpel 364 000 Tonnen Kohle.

Am 28. Oktober 1928 gab es auf der Hauptrichtstrecke der zweiten Sohle einen Durchschlag zwischen Zeche Zweckel und Zeche Scholven. Damit wurde die Zentralisierung möglich, die beide Pütts leistungsfähiger machen sollte. 1929 erfolgte die endgültige Zusammenlegung, nachdem bis dahin getrennt gefördert worden war. Die Förderung, jetzt zentral in Scholven, stieg so 1930 auf zusammen 947 000 t, die Belegschaft umfasste insgesamt 3470 Beschäftigte. Zweckel war seitdem Seilfahrtsstandort.

Als Folge von Kriegsschäden wurde die Förderung 1944 nach Zweckel ausgelagert, erst 1951 ging sie zurück. Über 2000 Kumpel waren 1953 am Schacht Zweckel angelegt. 1961 wurde die Seilfahrt an der Frentroper Straße eingestellt. Gut 1300 Bergleute waren betroffen, mussten nach Scholven. Lange währte aber auch das nicht: 1962 beschloss Hibernia, der letzte Besitzer, die Verbundzeche Zweckel/Scholven am 1. März 1963 stillzulegen – als eine der ersten Pütts im Revier.

Die Schachtanlage Stinnes 3/4 hauchte Brauck das Leben ein

Historische Aufnahme der Braucker Schachtanlage Mathias Stinnes 3/4 im noch sehr ländlichen Brauck.
Historische Aufnahme der Braucker Schachtanlage Mathias Stinnes 3/4 im noch sehr ländlichen Brauck. © Stadtarchiv Gladbeck

Als die Ruhrbarone Ende des 19. Jahrhunderts auf der Suche nach neuen Zechen-standorten waren, machten sie zunächst einen Bogen um Brauck. Doch dann kam die Familie Stinnes und wagte sich auf dieses unwirtliche, sumpfige Terrain, durch das nur einige wenige Furten verliefen, errichtete nach und nach die Zeche Mathias Stinnes 3/4 – und veränderte damit nachhaltig das Leben in dem spärlich besiedelten Teil des Kirchspiels Gladbeck.

Die Mülheimer Familie hatte schon 1864 die tief im Erdinnern lagernden Grubenfelder gekauft und sie unter dem Namen Mathias Stinnes vereinigt – nach dem 1790 bis 1845 lebenden Gründer des Familienunternehmens. Firmenchef war damals Hugo Stinnes. Brauck war zu dieser Zeit noch sumpfiges Bruchgelände. 1902 begann man unter widrigen Bedingungen das Abteufen des Bergwerks – nur 2,5 km entfernt von Stinnes 1/2. Die Braucker Schächte 3 und 4 wurden gleich als Doppelschachtanlage gebaut und untertägig mit Karnap verbunden. 1905 wurde die erste Kohle aus den neuen Schächten in Brauck gehoben. Gut 400 Kumpel waren zu Beginn auf dem Pütt beschäftigt.

Ab 1910 qualmte eine Kokerei mit 65 Öfen

1910 war auf der Braucker Zeche eine Kokerei mit 65 Öfen in Betrieb genommen worden. Mehr als 1400 Kumpel waren auf 3/4 zu diesem Zeitpunkt angelegt, die Förderung von mehreren Sohlen aus Tiefen bis zu rund 850 Meter betrug schon mehr als 500 000 Tonnen. 1922 erreichte die Belegschaft mit mehr als 3700 Kumpel ihren Höchststand. Die Kumpel förderten in dem Jahr über 800 000 Tonnen Kohle, die Kokerei erzeugte knapp 110 000 Tonnen Koks. Sie hatte erst 1934 ihren Produktions-Höchststand mit über 350 000 Tonnen Koks erreicht.

Während der Wirtschaftskrise zu Beginn der 30er Jahre ging die Förderung stark zurück, eine Rekordmarke erreichte die Kohleproduktion auf Stinnes 3/4 aber schon wieder im Jahre 1938: 2,5 Mio Tonnen wurden gefördert - Spitzenwert.

Der 2. Weltkrieg brachte der Braucker Zeche teils sehr starke Beschädigungen - ein Großteil der Tagesanlagen war zerstört. Doch schon 1950 war der Pütt soweit wieder hergestellt, dass man die Förderung kontinuierlich steigern konnte. Auch die 80 Öfen der Kokerei waren bereits wieder angeblasen worden.

1967 wurde die Förderung eingestellt

Schon bald aber machte sich die Kohlekrise bemerkbar. 1958 gab es erste Feierschichten. Dennoch gab es 1960 unter Tage umfangreiche Modernisierungen – neueste Mechanisierungen und Stahlausbau der Strebe. Bis zur 9. Sohle war das Grubenhaus inzwischen ausgeweitet. 1965 entschloss sich die Zechenführung, Stinnes 1/2/5 in Karnap zur Großschachtanlage auszubauen. Folge: Die Förderung auf der Braucker Zeche wurde 1967 eingestellt, 3/4 war fortan nur noch Seilfahrtsstandort. Im gleichen Jahr kam die Hiobsbotschaft für die Kokerei: Stilllegung. 1971 beschloss, Stinnes stillzulegen. Am 20. Dezember 1972 wurde die letzte Stinnes-Kohle zu Tage geholt.

Teile der Werkstätten wurden noch weiter genutzt, 1979 siedelte die RAG sogar noch ihren Zentral-Elektrobetrieb an der Roßheidestraße an. Das war allerdings ein schwacher Trost.