Gladbeck. Die Bergmänner Lukas Pranczke, Oemer Saka und Thomas Morgenroth arbeiten noch auf Prosper Haniel, die Ende 2018 als letzte im Revier schließt.

Lukas Pranczke hat schon einige Zechenstilllegungen erlebt. Jedes Mal musste er seinen Arbeitsplatz wechseln, jedes Mal war die Verlegung schmerzhaft für den Bergmann. „Irgendwann habe ich mich daran gewöhnt.“ Nun muss sich der 44-Jährige an einen endgültigen Abschied gewöhnen.

Lukas Pranczke gehört zu den letzten Kumpeln auf Prosper Haniel. Ebenso wie Oemer Saka und Thomas Morgenroth. Sie sind drei von 18 Gladbeckern, die im Moment noch auf dem Bottroper Bergwerk malochen. Auf der letzten aktiven Steinkohlezeche im Ruhrgebiet wird nur noch bis Jahresende das schwarze Gold gefördert. Die WAZ sprach mit den Bergmännern kurz nach einer ihrer Schichten auf Prosper Haniel über den Abschied, ihre Zukunft und ihre Zeit unter Tage.

Oemer Saka kam mit seiner Familie 1971 aus der Türkei

Oemer Saka kam mit seiner Familie 1971 aus der Türkei. 15 Monate alt war er da. Sein Vater war ein Jahr zuvor als Gastarbeiter aus der Türkei hergekommen, malochte auf der Zeche Mont Cenis in Herne. Nach der Stilllegung zog die Familie 1980 nach Gladbeck. Nur sieben Jahre später stieg der junge Mann in die Fußstapfen seines Vaters: Er begann auf Zeche Hugo eine Lehre als Industriemechaniker. Zu Prosper Haniel wechselte er, nachdem auch sie schloss. Heute ist er dort Betriebsrat, weiß, wie die Mitarbeiter sich fühlen – kurz vor dem Aus der letzten aktiven Zeche im Ruhrgebiet: wehmütig und traurig. „Es gibt einige, die hier seit 35 Jahren zusammenarbeiten. Manche sehen ihre Arbeitskollegen öfter als ihre Frau.“

Erst einmal bleibt Saka aber noch aktiv. 2018 wird zwar die Förderung eingestellt, die Arbeit vor Ort geht aber noch einige Zeit weiter. Die Materialien müssen nach und nach über Tage gebracht werden und an die Firmen zurückgegeben werden.

Der 47-Jährige freut sich auf seinen Vorruhestand

Thomas Morgenroth geht mit dem Bergbau-Aus 2018 in den Vorruhestand. Der 47-Jährige freut sich auf die Zeit, die er dann mit seiner Familie verbringen kann.
Thomas Morgenroth geht mit dem Bergbau-Aus 2018 in den Vorruhestand. Der 47-Jährige freut sich auf die Zeit, die er dann mit seiner Familie verbringen kann. © Thomas Gödde

Für Thomas Morgenroth ist zum Jahresende definitiv Schluss. Der 47-Jährige freut sich auf seinen Vorruhestand, auf die Zeit, die er dann mit seinen Kindern verbringen kann. Natürlich findet auch er es schade, dass es mit dem Bergbau nicht weitergehen wird. Groß geworden war er mit dem Bergbau, sein Vater arbeitete auf der Zeche Lohberg in Duisburg und auch für Thomas Morgenroth war klar, dass er einmal auf der Zeche arbeiten wollte. „Ich habe immer bei meinem Vater gesehen, wie viel Urlaub er hat.“ Also begann der gebürtige Duisburger 1987 auf Walsum eine Ausbildung zum Berg- und Maschinenmann.

Als 15-Jähriger kam Lukas Pranczke mit seiner Familie aus Polen ins Ruhrgebiet. „Wir waren klassische Wirtschaftsflüchtlinge, kamen aus dem Kommunismus, es gab weder ausreichend Essen, noch Perspektiven.“ Der Jugendliche musste erst einmal Deutsch lernen, nach der Schule machte er auf Zeche Westerholt eine Lehre zum Bergmechaniker, arbeitete später im Materialtransport, 2007 bekam er die Anstellung zum Steiger. Er machte eine Ausbildung zur Sicherheits-Fachkraft, ist seitdem im Belegschaftsschutz tätig. „Ein Kollege verunglückte von mir, weil er ein Risiko einging. Seitdem lege ich besonders Wert auf Sicherheit.“

Das letzte Mal 1991 eine Bewerbung geschrieben

© Thomas Gödde

Für Lukas Pranczke ging es nach jeder Zechen-Stilllegung zum nächsten Bergwerk. Dieses Mal nicht. Dieses Mal steht der Gladbecker vor einer großen Leere. Für den Vorruhestand ist er zu jung. Er wird sich umorientieren müssen. Eine neue Stelle in Aussicht hat er bisher noch nicht.

Gerne würde der 44-Jährige weiterhin im Bereich der Arbeitssicherheit arbeiten, am liebsten wieder in einem Großkonzern. Aber die Umorientierung stellt den jungen Familienvater auch vor Herausforderungen: „Ich habe das letzte Mal 1991 eine Bewerbung geschrieben. Heute ist der Prozess ja ganz anders“, weiß er. Vieles läuft heute online. „Für jemanden, der sich das letzte mal vor fast 30 Jahren beworben hat, ist das science fiction.“ Wenn sich vorher kein neuer Job ergeben wird, wird der 44-Jährige bis zum letzten Tag auf Prosper Haniel einfahren. Doch seine Zukunft ist ungewiss. „Bisher ist da nur ein großes Fragezeichen. Was erwartet mich draußen? Und: Komme ich mit so viel frischer Luft klar?“

Die besondere Bergmanns-Tradition weitertragen

Oemer Saka, Lukas Pranczke und Thomas Morgenroth (v.l.) in der Lampenstube des Bergwerks Prosper Haniel.
Oemer Saka, Lukas Pranczke und Thomas Morgenroth (v.l.) in der Lampenstube des Bergwerks Prosper Haniel. © Thomas Gödde

Kumpel sein – das ist etwas ganz besonderes. Das finden auch Oemer Saka, Lukas Pranczke und Thomas Morgenroth. Wie die meisten Bergmänner identifizieren sie sich stark mit ihrem Beruf. Unglaublich schade, dass es mit dem deutschen Bergbau nicht weitergeht, finden sie daher.

Lukas Pranczke wünscht sich, dass die Tradition erhalten bleibt. „Ich möchte meine Erfahrungen weitertragen, wenn ich meiner Arbeit nun den Rücken kehren muss“, sagt der junge Familienvater. Bei seiner Tochter hat er dies schon ein Stück weit geschafft. Oft sieht er mit ihr gemeinsam Wimmel-Bücher über den Bergbau an. Jedes Mal, wenn die Vierjährige an einem Förderturm vorbeikommt, weiß sie: „Papas Arbeit.“

Unter Tage ist nicht immer alles gut

Trotz des immer wieder erwähnten Zusammenhalts und der ganz besondere Verbindung der Kumpel sei natürlich auch unter Tage nicht immer alles gut. „Man kriegt sich auch mal in die Haare, schreit sich gegenseitig an, wenn etwas nicht so gut läuft“, sagt Lukas Pranczke. Doch wenn die Kumpel wieder ausfahren, ist aber „wieder alles gut und man nimmt sich auch wieder in den Arm.“

Auch jetzt, kurz vor dem Ende der Kohleförderung auf Prosper Haniel herrsche gute Stimmung unter den Mitarbeitern, sagt Betriebsrat Oemer Saka. „Wir wollen alles so vernünftig zu Ende bringen, als würden wir nicht schließen.“ Missen wollen die drei ihre unter Tage gesammelten Erfahrungen nicht. Die Bergbauzeit – sind sich die drei der letzten 18 Gladbecker Kumpel einig – die prägt.