Gladbeck. . Walter Hüßhoff war Bergmann aus Leidenschaft, setzte sich als Gewerkschafter für den Erhalt von Hugo ein. In „Mehr als Kohle“ erinnert er sich.
Karl heißt die Grubenlampe, Hermann die Meterlatte. Die Werkzeuge hat Walter Hüßhoff von ehemaligen Kollegen geschenkt bekommen – und sie nach ihnen benannt. „Das Grubenrettungsgerät hat mir mein Kollege Dixi geschenkt, aber das Atemschutzgerät werde ich jetzt nicht so nennen“, sagt der 69-Jährige und lacht.
Das Arschleder, das er der WAZ in seiner Küche zeigt, sieht unbenutzt aus. „Das hatte ich noch in Reserve.“ Die Grubenlampe Karl – sie leuchtet ab und an bei Walter Hüßhoff zu Hause. Auf jeden Fall zu Heiligabend.
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Hüßhoff war Bergmann aus Leidenschaft
Bergmann – das war Walter Hüßhoff aus Leidenschaft. Heute macht er sich im Bergmanns- und Geschichtsverein Moltke dafür stark, dass die Erinnerungen an diese ganz besondere Ära nicht in Vergessenheit geraten. Ab 1878 wurde in Gladbeck Kohle gefördert. „Menschen aus 60 verschiedenen Nationen leben hier, die Zechen waren ein Schmelztiegel.“ Wohnungen, Schulen und die Infrastruktur mussten erst einmal aufgebaut werden. „Das ist das, was die Menschen zusammengeschweißt hat.“
In Geschichtsbüchern hat sich Hüßhoff sein Wissen angelesen. Und er malt und schreibt Gedichte. Natürlich über den Bergbau. Er ist eben Bergmann durch und durch. Inzwischen im Ruhestand, leitet er Arbeitsgemeinschaften mit Hauptschülern an der Erich-Fried-Schule. „Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben, indem ich die Jugendlichen an die Berufe heranführe.“
Einer aus der Familie sollte auf der Zeche arbeiten
Als 14-Jähriger begann Hüßhoff 1963 selbst als Schlosserlehrling auf Moltke. „Mein Vater war der Ansicht, einer aus der Familie sollte auf der Zeche arbeiten, damit wir Kohle bekommen und so unsere Wohnung heizen konnten.“ Nach der Lehre wollte der junge Mann eigentlich bei seinem Vater auf der Baustelle als Kran- oder Baggerfahrer arbeiten.
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Doch Hüßhoff blieb bei der Zeche. „Es hat mir gefallen, einer von vielen zu sein, einer von Kollegen.“ Er konnte nicht nur sich selbst unter Beweis stellen, sondern: „Man war schon wer.“ Nach der Lehre ging es zum ersten Mal unter Tage, mit 19 wurde er Vorarbeiter. Als das Bergwerk Moltke 1971 schloss, wechselte der Bergmann zur Zeche Hugo nach Buer.
„Unter Tage war man alles“
Mit ihm 2500 Kollegen. „Das war eine ganz andere Welt. Hugo war viel moderner, hatte mehr Technik“, erinnert Hüßhoff sich. Der junge Mann wurde Maschinenaufsichtshauer. „Ich war das Bindeglied zwischen der Mannschaft und dem Steiger.“ Aber nicht nur das: Ausgebildeter Lokfahrer, Sicherheitshauer, Nothelfer: „Unter Tage war man alles.“
Hüßhoff war vornehmlich in der Nacht unter Tage. Schichtbeginn: 23 Uhr. Um 22 Uhr trank er zuhause einen letzten Kaffee. „Meine Frau hielt Wache, dass ich nicht verschlief.“ Nach der Schicht ging es in die Kaue. „Den Dreck herunterspülen.“ Um halb zehn saß er zu Hause am Frühstückstisch. Für den jungen Vater blieb nur wenig Zeit für Schlaf. Gegen Mittag stand oft schon wieder seine Tochter an seinem Bett. „Steh auf Papa, es ist schönes Wetter.“
Immer für gute Arbeitsbedingungen eingesetzt
Hüßhoff, Gewerkschafter mit Leib und Seele, hat sich immer für gute Arbeitsbedingungen seiner Kumpel eingesetzt. 1986 zog er bis vor das Bundeskanzleramt nach Bonn, um sich für den Erhalt der Zeche Hugo einzusetzen. Zurückfahren konnten er und seine Kumpel mit der Nachricht: „Das Bergwerk Hugo wird nicht geschlossen.“
Der Gladbecker blickt auf viele Arbeiterkämpfe zurück: „So lange wie ich auf dem Pütt war, war ich Demonstrant.“ Denn: „Es ist schlimm, immer den Verlust des Arbeitsplatzes vor Augen zu haben. Viele Kumpel sind daran zerbrochen.“
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Hüßhoff will Erinnerungen nicht verblassen lassen
Mit ihrer Zeche waren die Kumpel immer eng verbunden. „Wir haben eine hohe Identifikation mit unserem Arbeitsplatz.“ Mit dem Bergbau-Aus Ende des Jahres geht vieles verloren – auch die deutsche Bergbau-Technik, sagt Hüßhoff. Der 69-Jährige will die Erinnerung an diese prägende Ära nicht so schnell verblassen lassen.
Auch Grundschülern berichtet der im Förderverein des Museums Aktive von der Zeit unter Tage, mit der Kohle. „Die Kinder sind immer so begeistert.“ Oft bekommt er dann Bilder von den Grundschülern geschenkt, eines dient ihm heute als Schreibtischunterlage. „Das ist mir Ehre genug.“