Gladbeck. Letzter Tag bei Kaufland an der Wilhelmstraße: Ein schwerer Abschied für die Mitarbeiter, die bis zuletzt von Schnäppchenjägern belagert wurden.
- Im Juni hat die Einzelhandelskette Kaufland das Aus für die Gladbecker Filiale verkündet
- Für die Mitarbeiter wurde ein Sozialplan und ein Interessensausgleich verhandelt
- Bis Mitte Dezember müssen die verbliebenen Angestellten nun den Markt ausräumen
Jetzt ist es aus. Nach fast 15 Jahren ist bei Kaufland Feierabend. Ein halbes Jahr, nachdem die Einzelhandelskette mit Sitz in Neckarsulm angekündigt hatte, die Gladbecker Filiale entspreche nicht mehr den modernen Standards und werde deshalb geschlossen.
Rund 100 Mitarbeiter zählte die Belegschaft, viele von ihnen Frauen, viele in Teilzeit, viele alleinerziehende Mütter. Der siebenköpfige Betriebsrat hat versucht, in ihrem Sinn einen Sozialplan zu verhandeln, und hat das mit Unterstützung der Gewerkschaft Verdi auch hinbekommen.
Teilzeitkräfte finden schwer neue Arbeit
„Es war schon dramatisch“, sagt Gewerkschaftssekretärin Roswitha Hüsemann. Und: Sozialplan hin oder her, viele der Kaufland-Frauen werden es nicht leicht haben, eine neue Arbeitsstelle zu bekommen. Nur die wenigsten von denen, die nicht in umliegende Filialen wechseln können, haben bereits eine neue Stelle in Aussicht. „Besonders in Teilzeit ist es schwierig, etwas zu finden“, sagt Hüsemann.
Mitarbeiter räumen auf
Anfang Juni teilte Kaufland mit, dass die Filiale an der Wilhelmstraße geschlossen werden solle. Für die Mitarbeiter gibt es mittlerweile einen Sozialplan und Interessenausgleich.
Noch bis zum 15. Dezember sind die verbliebenen Mitarbeier beim Ausräumen des Marktes dabei. Danach werden sie laut Kaufland-Sprecherin freigestellt.
Die Gladbecker Azubis können ihre Ausbildung in anderen Kaufland-Filialen beenden.
Manche haben schon einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet, einige Kollegen sind freiwillig gegangen – viele harren aber bis zum Schluss aus. Schon seit längerer Zeit haben Mitarbeiter einer Zeitarbeitsfirma an der Kasse gesessen und an den Frischetheken bedient, weil nicht mehr genügend Stammpersonal vorhanden war. Für diejenigen, die bis zum Schluss blieben, müssen die vergangenen Wochen besonders hart gewesen sein.
Mitarbeiter fühlen sich wie eine Familie
„Wir waren wie eine Familie“, sagt eine Mitarbeiterin. Viele Kolleginnen hätten seit vielen Jahren im Markt an der Wilhelmstraße gearbeitet, einige gehörten bereits beim Kaufland-Vorgänger Famila zum Personal. Die Frau beschreibt nicht nur eingespielte Teams, sondern auch Kunden, die den Kontakt zum Personal suchten. „Manche sind einfach von Abteilung zu Abteilung gegangen, um ein Schwätzchen zu halten.“ Anstatt eines Spaziergangs – „bei uns war es warm und trocken.“ Und der Bus hielt direkt vor dem Eingang.
Dann kam die Nachricht über das Aus, und in den vergangenen Wochen die Schnäppchenjäger. Und die seien nicht nur durch den Laden gebummelt, sondern regelrecht übergriffig geworden, wenn sie nicht fündig wurden, erzählen Mitarbeiter. Teilweise hätten sich ganze Grüppchen in schlechter einsehbaren Ecken eingenistet, um nicht zu verpassen, wenn ein Sonderposten aus dem Lager geschoben wurde. Und manche hätten sich sogar Zutritt zum Lager selbst verschafft, heißt es.
Angestellte fürchteten Angriffe von Kunden
Manche Kolleginnen hätten sich nicht mehr allein in den Laden getraut, weil sie Angriffe fürchteten. Und nicht nur die Mitarbeiter seien angegangen worden, auch Kunden seien mitunter mit leeren Einkaufswagen an der Kasse angekommen, weil ihnen zuvor die ausgewählten Waren stibitzt worden waren.
Am letzten Tag präsentiert der Laden ein trostloses Bild. Im Eingangsbereich wirbt ein Plakat für Treueangebote – ein zynisch wirkendes Zeugnis alter Zeiten. Viele Regale sind bereits leer, Kühltheken abgebaut, kärgliche Reste liegen in den noch angeschlossenen Truhen. Schokocrêpes, Eiswürfel, ein paar Tiefkühlgerichte.
Kunden warten auf die letzten Schnäppchen
Vor dem Ausgang des Lagers im Erdgeschoss haben sich rund zwei Dutzend Menschen niedergelassen, eine Frau sitzt inmitten vom Katzenstreu, andere haben sich auf ihre Einkaufswagen gestützt und palavern, ganze Großfamilien stehen herum – und warten. Es könnte ja noch etwas herausgeschoben werden, das sie gebrauchen können. Wer an diesem letzten Tag die rote Mitarbeiterweste trägt, zieht sich lieber zurück. Schaut sich den Ausverkauf aus der Ferne an. Um 22 Uhr ist Feierabend.
Doch die Arbeit an der Wilhelmstraße ist dann noch nicht erledigt. Bis zum Jahreswechsel muss der Laden nun zurückgebaut werden. Und dann heißt es für die Belegschaft endgültig, leise Abschied nehmen. Ihren Laden gibt es dann nicht mehr.