Gladbeck. . Gelungener Start: Die Senioren ließen freiwillig ihre Fleppe entwerten. Jetzt fahren sie drei Monate kostenlos Bus. Ein kleines Trostpflaster.

Nein, leicht gefallen ist Franz Rathmann die Entscheidung nicht. Der 86-Jährige sitzt vor dem Schreibtisch von Susanne Matyar im Bürgeramt und wartet darauf, dass er an die Reihe kommt. Immer wieder schaut er ein bisschen wehmütig auf seinen Führerschein, den er in der Hand hält. Gleich ist es endgültig: Er gibt die „Fleppe“ ab – nach 65 Jahren.

Freiwillige Führerscheinabgabe gegen Busticket

Rathmann ist nicht der einzige an diesem Tag. Zum Start des vom Seniorenbeirat initiierten Projekts „Freiwillige Führerscheinabgabe gegen Busticket“ kamen gestern gleich acht Senioren, um ihren „Schein“ entwerten zu lassen und quasi als kleines Trostpflaster drei Monate kostenlos die Busse der Vestischen zu nutzen.

Margarete Bieder (85) fällt der Verzicht nicht schwer. „Ich bin ohnehin nicht viel gefahren, zum einkaufen oder früher zu meiner Mutter nach Bottrop.“ Jetzt ist ihr das Auto einfach zu teuer geworden. Sie fährt schon geraume Zeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch Lydia Niepötter (83) hat ihren neun Jahre alten Wagen aus Kostengründen schon vor zwei Jahren verkauft. Den Führerschein abzugeben, war da nur die logische Konsequenz.

Das erste Auto war ein DKW

Günter Eichner hat den Führerschein 1945 gemacht, beim Militär. 1948 hat er sich das erste Auto gekauft – einen Lloyd. Zuletzt fuhr er einen Mercedes, „aber der stand fast nur noch rum“. Es falle ihm nicht schwer, den Führerschein abzugeben, versichert er: „Ich kann gut abgeben, ich habe mein Haus verkauft und das Rauchen aufgegeben. Jetzt eben der Führerschein.“

So leicht fällt Franz Rathmann der endgültige Abschied vom Führerschein nicht. 1951 hat er die Fahrprüfung bestanden, nach neun Fahrstunden. Das weiß er noch genau. Und auch an sein erstes Auto, einen DKW 3/6, gebraucht gekauft für 1500 DM, erinnert er sich gut. „Bestimmt eine Million Kilometer“ halbe er im Laufe der Jahrzehnte zurückgelegt. Als Montageinspektor und später als Selbstständiger war er kreuz und quer in Deutschland unterwegs. Und mit der Familie ging es zwei Mal im Jahr nach Österreich.

Im Dunkeln ist er schon ein paar Jahre nicht mehr gefahren

Sein letztes Auto, einen Mercedes 220, hat er vor einigen Tagen „für 500 Euro verschenkt“. Auch wenn er zuletzt nicht mehr oft hinter dem Steuer saß, vermisst er es: „Ich trauere immer noch.“ Aber die Einsicht hat gesiegt: Die Sehkraft lässt nach, die Beine werden schwerer, die Reaktion verlangsamt sich, hat er festgestellt. Im Dunkeln ist er schon ein paar Jahre nicht mehr gefahren, auch unbekannte Strecken hat er gemieden.

Und jetzt ist es endgültig: Franz Rathmann reicht Susanne Matyar die kleine Plastikkarte und unterschreibt die Verzichtserklärung und sagt: „Ich hatte in all den Jahren nie einen schweren Unfall, nur ein paar Lackschäden. Bevor etwas Schlimmeres passiert, muss das jetzt eben sein.“