Gladbeck. Der Januar bietet Zeit für pflichtgemäße Arbeiten und Büroangelegenheit. Die WAZ begleitet ab sofort den Familienbetrieb Monat für Monat durchs Jahr.

Wie im Winterschlaf liegt der Hof Im Winkel in den Rentforter Feldern. Kein Mensch ist zu sehen an diesem nicht kalten, aber eher feuchten Morgen – man könnte meinen, auf dem Hof herrsche Winterpause. Doch weit gefehlt. „Auch wintertags gibt es auf einem Bauernhof immer jede Menge zu tun”, tritt Landwirt Bernd Im Winkel möglichen Trugschlüssen entgegen.

Von Scholven nach Gladbeck

Der 42-Jährige ist seit 2009 Chef des landwirtschaftlichen Betriebs an der Voßbrinkstraße, der seit 1576 als Hof Hachmann nachweisbar ist. Im Winkel heißt er erst seit jüngerer Zeit, seitdem Vater Theo (69), der als Altbauer immer noch mit Rat und Tat mithilft, 1972 auf den Hof einheiratete. „Mit der Heirat meiner Eltern wurden auch unsere beiden Höfe zusammengefasst“, erzählt Bernd Im Winkel und erinnert an den väterlichen Hof, der nahe der Kirchhellener Straße, unweit von Hof Brabeck, liegt. Die Im Winkel kamen erst 1956 industrieverdrängt aus Scholven nach Gladbeck. Sie sind wie die Hachmanns ein uraltes Bauerngeschlecht, das erstmals 1584 erwähnt wurde. Vor über 60 Jahren schluckte das Kraftwerk Scholven den alten Hof.

Eine Remise, vier Ställe und ein Bauernhaus

Bernd Im Winkel machte nach seiner landwirtschaftlichen Ausbildung und zweijähriger Fachschule seinen „staatlich geprüften Landwirt“ samt Ausbildereignung. Der Rentforter, seit geraumer Zeit auch Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Lokalvereins, beackert 60 ha eigene landwirtschaftliche Nutzfläche, weitere 80 ha hat er gepachtet. Der Hof ist damit einer der größten in Gladbeck. Vier Ställe, eine Remise für Maschinen und Fahrzeuge sowie das 140 Jahre alte Bauernhaus zählen dazu. Hauptstandbein des Betriebs ist die Milchwirtschaft. In den letzten Jahren hat Im Winkel seine Stallungen auf den modernsten Stand gebracht und ausgeweitet. Die im Fachjargon Boxen-Laufställe genannten Unterstände seien die artgerechtesten Stallungen. Sie bieten jedem Tier drei Plätze: Fress-, Liege- und Laufplatz.

Besuch vom Tierarzt.
Besuch vom Tierarzt. © Funke Foto Services

160 Milchkühe stehen darin, zusätzlich gibt’s 160 weibliche Nachzuchttiere. Neben täglicher Routinearbeit (zweimal melken) bietet der Januar Zeit für pflichtgemäße Arbeiten: Diese Woche etwa war Tierarzt Christoph Im Winkel (Bruder des Landwirts) aus der Praxis „Pro Agrarvet“ aus Raesfeld auf dem Hof, mit der Im Winkel seit Jahren zusammenarbeitet. Jedem Tier, das älter als neun Monate ist, wurde eine Blutprobe entnommen, etwa 20 Milliliter. Mit ihr werden die Tiere auf Infektionen geprüft. Im Winkel: „Das ist gesetzlich einmal im Jahr vorgeschrieben, es geht vor allem darum, das Herpes-Virus zu erkennen.” Gleichzeitig wird der Ernährungszustand der Tiere beleuchtet – etwa Vitamin- oder Mineralhaushalte. „Dann weiß man, ob die Fütterung stimmt.“ Jedes Tier muss vor der Blutentnahme am Kopf fixiert werden. Die Blutprobe wird am Schwanz entnommen. „Eine immense Arbeit, die einen ganzen Tag in Anspruch nimmt.”

Dokumentation kostet viel Zeit im Büro

Zeit bleibt Im Winkel in einem Wintermonat wie dem Januar auch zu vermehrter Büroarbeit, zu der er ohnehin täglich – gemeinsam mit seiner Frau Birgit (42) – zu rund zweieinhalb Stunden verdonnert ist. „Der Winter gibt Gelegenheit, auch einiges aufzuarbeiten.“

Im Januar ist mehr Zeit für die Büroarbeit.
Im Januar ist mehr Zeit für die Büroarbeit. © Funke Foto Services

Zum Beispiel: Die Fortführung der Ackerschlagkartei. In ihr wird parzellengenau für sämtliche Felder alles festgehalten, was auf dem Acker passierte: was gesät, gedüngt, gespritzt wurde. Das sei staatlich so verordnet – „und kostet uns nur Zeit”, so Im Winkel, der darauf verweist, dass sich durch die Dokumentationspflicht qualitativ nichts auf den Feldern ändert. Ohne Computer kommt der moderne Bauernhof heute nicht mehr aus: Online meldet Im Winkel regelmäßig an eine zentrale „Hit-Datenbank” in München, welche Kälber er ge- oder verkauft hat. „Auch das ein behördliches Muss.” Damit soll der Herkunftsnachweis von Fleisch lückenlos nachvollziehbar sein.

Landwirtschaft prägt ein Viertel des Stadtgebietes

Übrigens: Bauern gibt es in Gladbeck seit Beginn des Kirchspiels, also bald 1000 Jahre. Viele Jahrhunderte dominierte die Landwirtschaft das Bild in Gladbeck. Auch heute prägen die verblieben Höfe das Stadtbild mehr, als man eigentlich denkt.

Bauern-Lexikon: Rindviecher

Rindviecher sind sie alle, bis zum Alter von sechs Monaten heißt ein weibliches junges Tier aber Kalb, danach Jungrind. Ist es ein Jahr alt, nennt es der Bauer Rind – bis es das erste Mal gekalbt hat.

Nach dem ersten Kalben ist das Tier im Stall eine Kuh. In der Regel werden die weiblichen Rindviecher acht - zehn Jahre alt, manche auch bis zu 16 Jahren. Ein männliches Kalb wird nach sechs Monaten zum Jungbullen, danach zum Bullen. Wird das Tier kastriert, ist es ein Ochse.

Denn knapp 884 Hektar des Stadtgebietes sind nach wie vor landwirtschaftliche Fläche, das sind 24,6 Prozent der Stadtfläche. Das ist die zweitgrößte Art der Flächennutzung in Gladbeck. Zum Vergleich: Bebaute Flächen machen 37,7 Prozent der Stadtfläche aus.

15 Bauernhöfe bewirtschaften die landwirtschaftlichen Flächen: Vier Vollerwerbs- und elf Nebenerwerbsbetriebe. Alt-Rentfort ist der Ortsteil mit den meisten Ackerflächen (233 Hektar), gefolgt von Zweckel (181) und Ellinghorst (142). Aber auch in Brauck und Butendorf gibt’s Felder. Neben Im Winkel sind die Höfe Hegemann, Ostrop/Overgünne und Schulze-Langenhorst Vollerwerbsbetriebe, die sich auf die Vieh- und Milchwirtschaft konzentrieren. Mehr als 3 Mio Liter Milch produzieren sie jährlich.