Ruhrgebiet. Nach rund 40 Jahren Diskussion eine klare Ansage der Gladbecker Politik zum Ausbau der B 224. Doch der Streit ist damit noch lange nicht beendet
Die Geschichte ist vielleicht nur erfunden, aber dann gut erfunden. Danach erklärten chinesische Experten dem damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt bei einem Besuch in Shanghai, sie hätten zwei Jahre gebraucht für das komplett neue Hochhausviertel, durch das er gerade staunend schritt. Darauf Milbradt: „Ich brauche in Sachsen 20 Jahre für eine Brücke.“
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Das Ruhrgebiet ist aber nicht Sachsen, ist einfach nicht so schnell. Sagen wir es so: Nach rund 40 Jahren Diskussion, aus der Bundesstraße 224 die Autobahn 52 zu machen, steht noch immer nicht die allerkleinste Brücke.
Bundesstraße 224 als Nadelöhr im Ruhrgebiet
Doch von vorn. In der Mitte des Reviers klafft ein Loch, ein Loch namens Essen. Denn auf fünf großen Autobahnen kommt man im Ruhrgebiet vom Süden in den Norden und vom Norden in den Süden – nur nicht durch die Großstadt Essen, die sich „Ruhrmetropole“ nennt. Die Folge: Die vierspurige Nord-Süd-Bundesstraße 224 zwischen Gladbeck, Bottrop und Essen ersetzt eine Autobahn recht schlecht und ist nur verstopft. Vor allem nachmittags: so verstopft, dass man von Essen aus bestens beraten ist, lieber einen Umweg über die A 40 einzuschlagen. Über die A 40!
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Doch nach und nach scheint sich das nun doch zu ändern. So beschloss der Rat der Stadt Gladbeck am Donnerstagabend, dem Ausbau dieser B 224 zur Autobahn 52 zuzustimmen, begleitet von schrillen Pfiffen und lauten Protestrufen von Demonstranten vor dem Rathaus. Im Abschnitt südlich davon, vor allem auf Bottroper Gebiet zwischen den Autobahnen 2 und 42, arbeiten die Straßenbauer gerade die schriftlichen Einwände ab und hoffen, 2017 zum gerichtsfesten Baubeschluss zu kommen.
Diskussion um den Ausbau der B224 war lang und schleppend
Für den Abschnitt darunter, der durch den dicht bebauten Essener Norden bis in die Innenstadt führt, weiß freilich noch immer so recht niemand, wie man zu einer Autobahn käme: Es gibt eine Planung, aber keine politische Mehrheit. Kurzum: Die Diskussion verlief genau so, wie die Fahrer ihre Fahrt auf der 224 erleben – viel Stopp und Go, und immer wieder Stillstand.
Nicht ganz unerwartet, treffen auch die immer gleichen Argumente aufeinander. Hier etwa die „Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen“, deren Präsident Benedikt Hüffer davon spricht, die oft kilometerlangen Staus seien nicht nur eine große Belastung für die Menschen, „sondern zudem ein erheblicher Standortnachteil für die Wirtschaft in der Emscher-Lippe-Region wie auch im Münsterland.“
Gegner wie etwa das „Bürgerforum Gladbeck“ halten dann dagegen mit „mehr Lärm und schlechterer Luft“. Die Stadt werde zerschnitten, heißt es; alle Probleme einer mehrjährigen Großbaustelle malen sie aus und raunen schlussendlich: „Es wird zusätzliche Vorkommnisse geben, die wir heute noch gar nicht ahnen“.
Bürgerinitiativen wollen den Umbau weiter bekämpfen
Dabei hatten sie die Gladbecker Wähler beim Ratsbürgerentscheid (einem Bürgerentscheid, den der Stadtrat selbst anstößt) 2012 noch auf ihrer Seite: Die sagten mit deutlicher Mehrheit „nein“ zu den Plänen und pochten danach auf den Zusatz: „Bei Ablehnung der Bürger wird der Planungsprozess abgebrochen.“
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Bürgermeister Ulrich Roland sagt dazu heute: „Wir würden über eine regionale Frage heute nicht mehr abstimmen lassen.“ Denn während Gladbeck den Ausstieg aus der Autobahn probte, gingen nebenan die Planungen für Bottrop ungerührt weiter. Und: Ein Ratsbürgerentscheid ist endlich, nach zwei Jahren bindet er nicht mehr – und so stieg die scheintote Autobahn wieder aus dem voreilig bejubelten Reihengrab.
Baubeginn wird erst im Jahr 2019 sein
Kernpunkt der nach langen Verhandlungen erreichten Vereinbarung Gladbecks mit Land und Bund ist jetzt ein knapp 1,5 Kilometer langer Tunnel auf dem Stadtgebiet. Doch der Kampf der Bürgerinitiativen wird mit der Zustimmung zum Ausbau nicht enden. Dass sie auch prozessieren würden, haben sie schon angekündigt. Und voraussichtlich steuert Gladbeck erneut auf einen Bürgerentscheid zu. Für den Fall haben Land und Bund bereits angekündigt, dass die Autobahn durch Gladbeck trotzdem gebaut werde, allerdings mit einem nur noch 550 Meter langem Tunnel.
Unabhängig davon werden Fahrer noch viele Jahre damit leben müssen, sich über die Bundesstraße zu quälen. Für das am weitesten voran getriebene Umbauvorhaben, das in Bottrop, rechnen optimistische Planer mit einem Baubeginn 2019.
Pessimistische rechnen mit einem Baubeginn 2028.
Ausbau der A 52 in Bildern