Gelsenkirchen. . Die Gelsenkirchener Firma Voigt & Schweitzer feiert ihr 125-jähriges Bestehen. Dazu erschien eine Unternehmenschronik, die der Komponist und Pianist Michael Gees vertonte. Ein Kunsterlebnis – für Musiker und Zuhörer.
Kein einziger freier Platz mehr im Consol-Theater. Gemurmel im Publikum, das Licht wird gedimmt, Spot an. Geige, Klavier, Stimmen. Die ersten Töne schwingen durch den Raum. Es ist nicht irgendein Musikstück, das erklingt, es ist die Vertonung der 125-jährigen Unternehmensgeschichte der Voigt & Schweitzer GmbH – und eine Welturaufführung. 70 Minuten ist das Werk. Es könnten aber auch 71 Minuten sein, lässt Komponist, Pianist und Improvisator Michael Gees das Publikum wissen. Es sollten fast 80 werden – aber langweilig war es zu keiner Minute.
Rund 110 Gäste erlebten die Aufführung eines Musikwerkes, das sein Auftraggeber Lars Baumgürtel als „etwas Außergewöhnliches“ bezeichnet, von dem er nicht wisse, „was da kommt“. Ein Charakteristikum verbinde aber sowohl die Uraufführung als auch das Zinq-Unternehmen: seine Einzigartigkeit. „Der Moment des Konzertes ist auf diese Weise nie mehr wiederholbar, kann nur in der Erinnerung der Zuschauer überdauern“, so der Geschäftsführer des Unternehmens.
Die Zuschauer erleben ein Musikexperiment, bei dem Sänger, Musiker und Instrumente heftig in die Pflicht genommen werden. Die Akteure: Stimmbildnerin Dagmar Boecker, Sopranistin und Geigerin Elisabeth Menke, Obertonsänger und Improvisationsmusiker Lothar Berger und der Komponist selbst – Michael Gees am Flügel. Vorleser ist Andre Wülfing, einer der Mitbegründer des Consol-Theaters. Die Instrumentierung: Flügel und Geige, Gong und Butterbrotpapier, tibetische Tempelglocke und indische Shrutibox. Die Klangpalette: summen, schnalzen, gurren, dröhnen, jubilieren. Dazu gibt es alte Firmenfotografien.
Ein Stück künstlerische Freiheit
Es ist ein improvisiertes Zusammenspiel, um die Unternehmensgeschichte musikalisch darzustellen. Die eigentlichen musikalischen Akteure sind die Instrumente: Raschelndes Butterbrotpapier, anhaltende Bordunklänge, kratzendes Blech, jubilierendes Klavier begleiten Kriege und Hochkonjunktur, Streiks und Firmenpatente, Rezession und Erfindertum.
Erzählt Wülfing von den Jahren 1872 bis 1876, in denen die Firma „das Wachstum der Region befeuerte“, wird sein Bericht angetrieben von forschem Klavierspiel. Geht es um den Bergarbeiterstreik 1889, mit dem die Arbeiter im Ruhrgebiet bessere Arbeitsbedingungen forderten, hört man undifferenzierte Laute der beiden Künstlerinnen. Geht es um die Einweihung der betriebseigenen Säurerückgewinnungsanlage 1916 erklingt dreimal ein ohrenbetäubender Gong. Die Zerstörung des Werkes nach einem Fliegerangriff im März 1945 wird von klagendem Gesang begleitet. Als sich die Revierzechen 1968 zur RAG zusammenschließen flüstert die Sopranistin mehrmals „effektiv“ ins Mikrofon. Die jüngste Firmengeschichte ab der 1990er Jahre nimmt breiten Raum ein – auch ein Kotau vor dem erfolgreichen Geschäftsführer. Zum Abschluss erklingt das fast hymnische „Zinq-Kling-Klang“. Applaus.
Auch dem Auftraggeber hat es gefallen. Er sei nachhaltig beeindruckt, dankt Baumgürtel dem Komponisten. „Das Werk w a r ein Stück künstlerische Freiheit.“