Gelsenkirchen. Die Glückauf-Brauerei wurde 1887 in Gelsenkirchen gegründet. In Ückendorf stieg der Bierkonsum mit der Zechenzahl. Für den Transport gab es 75 Pferde im Brauereistall. An Werbung wurde gespart:, denn der Geschmack entschied.

Bis in die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts war Bier in Gelsenkirchen etwas, das jede Gastwirtschaft, die etwas auf sich hielt, im heimischen Keller braute; obergäriges Bier freilich, weil man kaum Kühlmöglichkeiten hatte. Doch mit den Zechen wuchs auch der Durst, der Geschmack veränderte sich – und die staubigen Bergmannskehlen dürsteten nach untergärigem Qualitätsbier, gut gekühlt. Ein gewisser Hermann Pokorny hatte das erkannt – und gründete auf dem Gelände der Ringofenziegelei im Stadtteil GE-Ückendorf an der Grenze zu Leithe die erste große Brauerei.

Pokorny entschied sich für einen Namen, den hier ohnehin jeder täglich im Munde führte: Glückauf. Der Bergmansgruß wuchs fortan zur Gelsenkirchener Bier-Marke. Mit 6000 Hektolitern begann Pokorny anno 1887 mit der Bierproduktion. Der Konsum stieg parallel zur Bevölkerungszahl. Ein lohnendes Unternehmen.

1895 wurde die Brauerei in eine Aktiengesellschaft mit 1,8 Millionen Mark Kapital umgewandelt. Moderne Sud- und Gäranlagen sorgten für hohe Qualität, die Kaltblüter für die Pferdekutschen – bis zu 75 Pferde standen im Brauerei-Stall – besorgte der Chef höchstpersönlich in Belgien. Das Pferdegeschirr funkelte in blitzblank geputztem Messing.

Wandel zur Aktiengesellschaft

Zwei bis vier Pferde zogen die Fasswagen, je nach Zahl der geladenen Eichenfässer. Geliefert wurde bis nach Aachen, die Pferdekutschen waren da auch häufiger mal einen ganzen Tag unterwegs, den Futterbeutel für unterwegs hatten sie umgehängt.

Glückauf-Bier war beliebt: Bei einem Ranking der 39 Brauereien in Rheinland und Westfalen landete die Glückauf-Brauerei auf dem stattlichen Platz sieben. Luxus-Pils, Export und Doppelbock gehörten zum Sortiment.

Wer übrigens immer noch meint, das Flaschenpfand sei eine Erfindung der Grünen, sei korrigiert. Am 15. Dezember 1915 bereits führten die Brauereiverbände einen Flaschenpfand ein. Zehn Pfennige btrug damals der Flaschenpfand, fehlte bei der Rückgabe der Bügel, gab es nur acht Pfennige zurück.

Acht Prozent Stammwürze

Werbung hielt man bei Glückauf in jenen Jahren für eher überflüssig. Gemeinsam mit Nachbarn wie Hülsmann, Schlegel und Stauder startete man 1924 eine Anti-Werbekampagne. „Wir lehnen es ab, der Öffentlichkeit mit überheblichem Selbstlob unsere Biere anzupreisen, die den Vergleich mit anderen nicht zu scheuen haben. Wir überlassen Kennern und Freunden das Urteil“. Bereits im Jahr 1928 hatte Glückauf eine Interessengemeinschaft mit der Dortmunder Ritter-Brauerei gegründet.

Mit den Pferdekutschen ging es bereits in den 1920er-Jahren bergab, die ersten Kraftfahrzeuge wurden angeschafft. 1945 tötete eine Bombe 30 Brauereipferde, 1950 musste der letzte Hannoveraner Autos als Transportmittel weichen.

1949 hatte Glückauf wieder die Produktion von „Friedensbieren“ aufgenommen. Sie lösten die ungeliebten „bierähnlichen Getränke“ ab mit ihren „1,7 Prozent Stammwürze, nicht mehr als gefärbtes Wasser“, wie die Bergleute schimpften. Ein „anständiges“ Bier brauchte acht Prozent Stammwürze.

1956 wurde die Brauerei von Grund auf modernisiert. Vier neue Kupfer-Sudgefäße mit 200 000 Hektolitern Fassungsvermögen wurden angeschafft, es gab eine neue Hefereinzuchtanlage. Bald lösten Alumniumfässer die Eichenfässer ab.

Umstellung auf Einwegproduktion läutete 1977 das Ende ein

1965 lag der Pro-Kopf-Bierkonsum in Deutschland bei 122,5 Litern, ein Viertel weniger als im Vorjahr – der Abwärtstrend beim Bier und der Kampf dagegen hatte begonnen. 1971 schloss Glückauf einen Beherrschungsvertrag mit der Schultheiss-Brauerei in Dortmund.

Der Anfang vom Ende war dann nach Expertenmeinung die Verlagerung der Fassbierproduktion 1977 und die Umstellung auf Einwegproduktion. Das Malzbier braute ab 1979 Ritter. Am 4. Februar 1980 dann blieb der Bierhahn in Ückendorf für immer zu. Die Hauptaktionäre Dortmunder Union Schultheiß – DUB – hatten Glückauf komplett übernommen.

Heute sind die alten Brauerei-Gebäude komplett abgerissen, nichts erinnert mehr an die Bierbrautradition. Ein Teil des Geländes ist Brache, ein Teil bebaut mit Mehrfamilienhäusern.

Das Haus des ehemaligen Glückauf-Kellers, das ebenso wie die alte Direktorenvilla vom Gelsenkirchener Architekten Josef Franke geplant wurde, steht zwar noch. Doch mittlerweile hat sich hier ein Steakhaus niedergelassen.

Im alten Glückaufkeller hatte sich auch mancher Künstler des benachbarten Halfmannshofes bierselige Inspirationen abgeholt. Wer heute noch Glückauf-Pils trinken möchte, muss dies im Osten der Republik tun. Im sächsischen Gersdorf bei Chemnitz wird noch heute Glückauf-Pils gebraut. 1880 hatte dort ein Mann namens Richard Hübsch seine Glückauf-Brauerei gegründet.