Gelsenkirchen. . Spezialprodukte wie tonnenschwere Seekabel oder Spannseile stammen sehr oft aus Gelsenkirchen, genauer gesagt von der Bridon International GmbH. Die WAZ hat mit Lesern das Werk besucht und einen Blick hinter die Kulissen geworfen.
Eiserne Arme von Schaufelradbaggern hängen an Stahltauen, gigantische Brückenseile überspannen den Rhein und gleich ganze Bohrinseln werden mit baumdicken Ankerseilen am Grund gefesselt. Hightech pur. Made in.... – ja wo eigentlich? Hamburg, Berlin, Dresden? Wer das denkt, ist, nun ja, schief gewickelt. Spezialprodukte wie tonnenschwere Seekabel oder Spannseile stammen sehr oft aus Gelsenkirchen, genauer gesagt von der Bridon International GmbH.
Welch hohe Wertschätzung das Gelsenkirchener Unternehmen auf dem Weltmarkt genießt, das erfuhr jetzt eine Gruppe von Lesern bei einer Werksführung. „85 Prozent unserer Produkte, die meisten darunter sind Spezialanfertigungen, gehen in den Export“, sagt Raymond Opszalski. Er ist der Personalleiter des Gelsenkirchener Unternehmens, das seit 2008 zum Investor Melrose PLC gehört. Haushohe Schürfkübelbagger im südafrikanischen Tagebau verlassen sich auf die hohe Tragkraft der Bridon-Seile ebenso wie hunderte Meter lange Supertanker, die an einer Off-Shore-Verladestation vor der Küste Angolas Halt machen.
Hoher Bedarf an hochfesten Seilen
Hier an der Magdeburger Straße im Herzen der Stadt gehen die tonnenschweren Seilhaspeln auf die Reise zu ihren Einsatzorten. Hier stehen auch die komplexen Verseilmaschinen, von denen einige ganz locker mit der Länge von Lastwagen mithalten können. Und hier steht auch eine 50 Meter lange Reckmaschine, mit der die Seile getestet werden – sprich eine Art hydraulische Streckbank prüft auf kompletter Länge nach, ob die Wicklungen der Zugkraft (bis 200 Tonnen) wirklich standhalten.
Eine Verseilmaschine funktioniert im Prinzip so: Ein drehbarer Verseilkorb trägt eine Reihe von Drahthaspeln (Spulen), von denen die Drähte durch den Verseilkopf (eine Scheibe mit der entsprechenden Anzahl von Löchern) bis zum Lager laufen und dabei wendelförmig um einen Kerndraht geschlungen werden. Die aus dem Lager auslaufende fertige Drahtlitze wird wiederum auf einer Haspel aufgewunden. Die Verseilung kommt durch das Zusammenwirken von Zug an der Litze und gleichzeitiger Drehung des Verseilkorbes zustande.
Der Bedarf nach hochfesten Seilen ist groß. So groß, dass bei Bridon stets im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet wird. „Und Fluktuation“, sagt Ingenieur Olaf Herberholz, „kennen wir nicht.“ 117 Mitarbeiter, die meisten selbst Gelsenkirchener, sorgen für hochwertigen Nachschub. Qualität, die ihre Zeit braucht – vom Auftragseingang bis zur Lieferung gut und gern drei Monate. Und die kostet: Vier dicke Seile à 1600 Meter etwa. Macht 500.000 Euro. „Wow, echt stark“, tönt es aus der Gruppe. Dem ist nichts hinzuzufügen ...
14.500 Tonnen Drahtseil im Jahr
Bei der Bridon International GmbH in Gelsenkirchen arbeiten derzeit 117 Mitarbeiter in drei Schichten. Auch bildet Bridon aus, etwa Maschinenführer und Elektriker oder Schlosser für Wartung und Reparatur. In 2014 wird das Hightech-Unternehmen nach eigenen Angaben auf gut 10.000 Tonnen kommen. Die Produktionskapazität des Werks liegt bei 14.500 Tonnen Drahtseil im Jahr.
Begonnen hat alles mit der 1853 gegründeten Thyssen Draht AG, die 1994 in Schalkeseil GmbH umbenannt wurde, 1995 Bridon Thyssen Seile GmbH hieß, dann neun Jahre lang die Firmenbezeichnung BTS Drahtseile GmbH trug und seit dem Jahr 2004 als Bridon International GmbH zur britischen Bridon-Gruppe gehört. Im Jahr 2008 folgte die Übernahme durch den Finanzinvestor Melrose PLC.
Im Gelsenkirchener Werk werden Spezialseile ab einem Durchmesser von 50 bis maximal 310 Millimeter hergestellt. Das Stückgewicht der Seile kann bis 340 Tonnen (netto) beziehungsweise 370 Tonnen (brutto) betragen. In den Mutterwerken in England werden Seile mit bis 600 Tonnen Stückgewicht produziert.
Ach übrigens: Das 92 Zentimeter starke Stahlseil der Golden Gate Bridge in San Francisco besteht aus 2772 parallel liegenden Drähten.