Gelsenkirchen. Für Nikolaus Schneider gehört das Sterben eigentlich zum Leben. Dennoch würde er seiner Frau die Hand halten, wenn sie den Giftbecher trinken möchte. Die WAZ fragte in Gelsenkirchen Vertreter der christlichen Kirchen, wie sie diese Entscheidung des Chefs der Ev. Kirche in Deutschland beurteilen.

Nikolaus Schneider, derzeit noch Chef der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hat eine Lawine losgetreten mit seinem Bekenntnis, dass er seiner Frau die Hand halten würde, wenn sie einen Giftbecher trinken wollte. Entgegen seiner eigenen christlichen Überzeugung in Bezug auf Sterbehilfe. Die EKD hat ebenso wie die katholische Kirche eine andere Position, lehnt Sterbehilfe in jeder Form ab.

„Die Evangelische Kirche hat eine Position, stellt aber keine Dogmen auf. Für uns gilt die Freiheit der Christenmenschen. Nach guter Abwägung darf jeder selbst entscheiden, nach seinem Gewissen“, verteidigt Pfarrer Kurt-Christian Ellgaard den scheidenden EKD-Chef. Ellgaard ist Mitglied des Ethik-Komitees, arbeitet seelsorgerisch am St. Marienhospital Buer.

Das Thema Sterbehilfe ist für ihn sehr präsent. Für ihn persönlich komme Sterbehilfe zwar nicht in Frage, gehört das Sterben zum Leben. Aber er wünsche sich diese Freiheit für Christen, selbst entscheiden zu dürfen. „Der Sterbende gibt vor, was zu geschehen hat, sonst niemand. Der erste Schritt dahin ist ja – letztlich sogar mit der katholischen Kirche – mit der Patientenverfügung getan.“

Gefahr bei Dementen

Beate Thiehoff, Geschäftsführerin des Emmaus-Hospiz in Resse, ist völlig anderer Meinung. „Ich bin sehr irritiert, dass ein Christ sich so äußert. Der Tod gehört nach dem christlichen Glauben zum Leben ebenso wie die Geburt. Und gerade heute gibt es medizinisch so gute Möglichkeiten, dem Sterbenden Schmerz und Missempfindungen zu nehmen, damit er seine letzte Zeit sinnvoll und friedlich gestalten kann. Dafür tun wir im Hospiz alles. Ich finde die Entwicklung, Sterbehilfe zu akzeptieren, sehr gefährlich. Wer entscheidet etwa für demente Menschen?“

Peter Spannenkrebs, Direktor des Caritasverbands Gelsenkirchen, findet es „unangemessen, über Schneiders Äußerung den Stab zu brechen“. Spannenkrebs begrüßt zwar, dass es Regeln gibt, dass seine Kirche Position gegen Sterbehilfe bezieht. Und er fände es „wünschenswert, dass mehr für die hospizliche Begleitung getan wird, weil immer noch viel zu viele Menschen einsam sterben müssen“. Aber auch für ihn ist die Freiheit des Gewissens der Maßstab.

Wie er selbst sich entscheiden würde? „Das kann, glaub ich, jeder nur in der Situation selbst sagen.“