Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Feuerwehrchef Michael Axinger zieht ein Resümee: 2013 schlagen 1883 Hilfseinsätze zu Buche, durch den Pfingststurm kamen weitere 1300 hinzu. Zahl der Rettungseinsätze im Vorjahr: 15 000.

Seit dem 1. Mai 2013 leitet Michael Axinger offiziell als Branddirektor die Feuerwehr Gelsenkirchen. Im Interview mit der WAZ zieht der (seit Donnerstag) 50-Jährige eine Bilanz.

Herr Axinger, wie haben sich die Fallzahlen für die Einsätze der Rettungskräfte entwickelt?

Michael Axinger: Es ist eine klar steigende Tendenz erkennbar, der Rettungsdienst stellt mit rund 15.000 Einsätzen im vergangenen Jahr einen unserer Schwerpunkte dar. Bei 5500 dieser Einsätze kam noch ein Notarzt dazu. Die Zahl der Krankentransporte beläuft sich auf etwa 10.000.

Hat die Zahl technischer Hilfeleistungen ähnlich stark zugenommen?

Axinger: 2013 hatten wir 1883 solcher Hilfseinsätze. Durch den Pfingststurm sind 1300 noch dazu gekommen, weitere werden sicher folgen. Extreme Steigerungen von über 170 Prozent bei Wasser- und Sturmschäden sind aber nichts Ungewöhnliches. In manchen Jahren mehren sich kleine Unwetter und lassen die Zahlen rasant steigen. Im Durchschnitt kommen wir auf 2000 bis 3000 solcher Einsätze im Jahr.

Wie sehen die Brandzahlen aus?

Axinger: Im Schnitt kommen wir auf rund 1000 Brände im Jahr, im Vorjahr waren es 969. Die Hälfte davon fällt tatsächlich in diese Kategorie, dazu zählen ein brennender Papierkorb bis hin zu einem Großbrand. Von Letzteren, wo wir die Flammen mit mehr als drei Strahlrohren bekämpfen mussten, hatten wir zwei: am Strohballenlager am Fünfhäuserweg in Scholven und am Stadthafen bei Avangard Malz. In der Statistik sind auch Brandmeldeeinsätze, bei denen Sensoren, etwa in der Veltins-Arena oder im Hans-Sachs-Haus, Alarm schlagen, beispielsweise bei einem Defekt.

Bürger sollen Geduld aufbringen

Gab es Tote durch Brände?

Axinger: Leider ja, einen Brandtoten. Das ist eine sehr niedrige Quote, aber immer noch einer zu viel. Bei 600 Brandopfern bundesweit pro Jahr, darunter ein Drittel Kinder, appelliere ich eindringlich an alle, Brandmelder im Haus und in der Wohnung zu installieren – die retten wirklich Leben.

Sie haben gesagt, weitere Einsätze wegen der Sturmschäden werden noch folgen. Ist es denkbar, dass die Feuerwehr der Stadt bei den Aufräumarbeiten zur Seite steht?

Axinger: Vorab: Das Sturmtief Ela ist als Ereignis noch höher zu bewerten als der Orkan Kyrill in 2007. Die Bürger müssen Geduld haben, auch wenn ich ihre Ungeduld gut verstehe. Besteht Gefahr für Leib und Leben, ist die Feuerwehr natürlich zur Stelle, alles Weitere aber erledigen die Mitarbeiter von Gelsendienste. Ich kann keine Männer für solche Hilfsarbeiten abstellen. Im Notfall könnte die Feuerwehr dann nicht innerhalb von wenigen Minuten vor Ort sein. In acht Minuten sind wir bei allgemeinem Alarmda, in neuneinhalb bei Brandschutz. Wir haben einen Auftrag und eine Vorgabe, beides können wir nicht erfüllen, wenn die Männer im Baum hängen. Außerdem sind unsere Drehleiterwagen nicht geeignet für solche Räumarbeiten, sie sind für Personenrettung da. Oben im Korb kann man eine große Motorsäge nicht einsetzen, das ist zu wackelig, zu eng und zu gefährlich. Hier müssen Hubwagen und Kräne her. Und die Männer von der Freiwilligen Feuerwehr sind im Übrigen beruflich eingebunden, denen wird kaum ein Chef für Räumarbeiten frei geben.

Apropos Versorgung, wie steht’s um die neue Feuerwache in Heßler?

Axinger: Im Moment konzentrieren wir unsere Planung ganz darauf. Ende 2014 soll der Bau der Feuerwache 9 beginnen. Neun Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Derzeit werden zwischen den Fachstellen die Einzelheiten geklärt. Für die Wache brauchen noch wir einen neuen Drehleiterwagen, das wurde in den Haushalt eingebunden. Auch schaffen wir neue Stellen, 29 neue Einsatzkräfte werden hinzu kommen. Ich rechne mit einer Bewilligung in 2015/2016. Fest steht dazu, dass wir unsere Rettungstauchergruppe dorthin in den Stadtsüden verlegen werden. So haben wir eine bessere Anbindung an den Kanal und es erleichtert uns die Arbeitsabläufe.

Es fehlt an Nachwuchs - viele Bewerber fallen durchs Raster

Herr Axinger, wie ist die Feuerwehr in Gelsenkirchen aufgestellt?

Axinger: Es gibt 306 Berufsretter, 230 bei der Freiwilligen Feuerwehr und 150 bei der Jugendfeuerwehr. Dort kann man ab zehn Jahren mitmachen, ab 17,5 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Warum mangelt es an Nachwuchs?

Axinger: Das Freizeitangebot heutzutage macht dem Dienst bei uns starke Konkurrenz. Zudem bringen viele Bewerber nicht mehr das nötige Rüstzeug mit. Dabei erfüllt schon derjenige 90 Prozent der Voraussetzungen, der ein Sportabzeichen vorweisen kann.

Können Sie das näher erläutern?

Axinger: Sicher. Von etwa 450 Bewerbern bleiben am Ende etwa 16 übrig im Schnitt. 170 sind aktuell im Auswahlverfahren, von denen hoffen wir zwölf zu behalten. Die Mankos fangen an bei einem simplen Diktat, gehen weiter mit Lücken bei Grundrechenarten und Allgemeinwissen bis hin zu körperlichen Ausschlusskriterien. Die Generation heute bewegt sich kaum, hat schwache Knochen und ist dank PC-Spielerei kaum noch körperlich belastbar. Wir können niemanden gebrauchen, der im Test angibt, das 17. Bundesland sei Mallorca.

Mehr über den Berufsalltag bei der Feuerwehr gibt es auf der Internetseite www.gelsenkirchen.de/de/rathaus/feuerwehr