Gelsenkirchen. Die Schalker Fan-Initiative sieht in einem möglichen Besuch der blauweißen Profi-Kicker beim russischen Präsidenten eine Verquickung der privaten Interessen von Fleischfabrikant Clemens Tönnies mit Vereins-Interessen. Im Netz und auf der Straße sieht man die Angelegenheit differenzierter.

Olivier Kruschinski, Geschäftsführer des Supportersclub Schalke, dachte, das Thema Russland-Besuch wäre schon vom Eis. Mitte März hatte S04-Manager Horst Heldt gesagt, dass man der Einladung von Putin nicht nachkommen wolle. Aber in einem Handelsblatt-Interview, das am Mittwoch erschien, erklärte Schalke-Chef Tönnies, dem Ruf des russischen Präsidenten folgen zu wollen. „Ich persönlich vermute, dass das Interview schon vor Wochen geführt wurde“, so Kruschinski. Das Thema stehe auf der Agenda der Vorstandssitzung seines Clubs.

Der russische Staatskonzern Gazprom sei ein Sponsor, den die Schalker Fan-Initiative „damals nicht mit Freuden empfangen“ habe, so Ini-Beisitzer Helmut Schiffer. In dem geplanten Besuch sieht er eine klare „Verquickung von persönlichen wirtschaftlichen Interessen Tönnies mit Vereinsinteressen“. Der Schalke-Chef plant laut Handelsblatt, 600 Millionen Euro mit seinem Fleischunternehmen in Russland zu investieren. Schalke-Pfarrer Ernst-Martin Barth zählt auf das Leitbild des Vereins: „Ich habe großes Vertrauen, dass verantwortungsvoll damit umgegangen wird.“

Zustimmung, Ablehnung und Relativierung im Netz

Auch im Online-Forum der WAZ schlägt der womöglich anstehende Besuch der Schalker Mannschaft mit Clemens Tönnies beim russischen Präsidenten Putin hohe Wellen und sorgt für viele Kommentare.

„Aus wirtschaftlicher Sicht macht Schalke bzw. Tönnies ,natürlich’ alles richtig“, schreibt etwa der User snowboarder70nrw. „Wer würde sich nicht gerne auf dem russischen Markt mit seinen Fleischprodukten platzieren? Aber aus moralischer Sicht ist das Verhalten des Herrn Tönnies eine totale Bankrotterklärung“, findet der Kommentator.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Hanno2: „Dass Tönnies bedeutend mehr wirtschaftlichen Verstand hat als politischen, hätte man sich ja denken können. Nach dieser Äußerung kann man ihn aber auch moralisch besser beurteilen. Was seine Schweine mit russischem Gas zu tun haben, kann er nach eigenen Äußerungen zwar gar nicht verstehen. Große Teile der deutschen Öffentlichkeit aber umso mehr. Im Klartext: Trotz seiner Verdienste um Schalke ist er für mich nicht mehr wählbar.“

Unterschiedliche Meinungen

User FranzNussmann vermutet hingegen eine reißerische Berichterstattung. Das Interview sei „von Schalke dementiert worden, da ist wohl nie die Rede von gewesen.“ westpreussen fragt: „Warum nicht, wenn bis dahin noch kein Krieg ausgebrochen ist? Die russisch-schalkische Freundschaft dient dem Weltfrieden!“ Ähnlich sieht’s Benorah_0: „Wenigstens einer, der versucht, den Frieden und die Diplomatie zu suchen. Hochachtung vor Schalke. Daran können sich unsere Kriegshetzer mitsamt ihren amerikanischen ,Freunden’ mal ein Beispiel nehmen.“

Mit Zynismus hält es Guidolos: „Der kann ja danach auch noch nach Pjöngjang fahren.“ Und powerjogi: „Schade, dass ein ,ehrlicher’ Fußballclub aus wirtschaftlichen Gründen so instrumentalisiert wird. Als nächstes geht’s dann nach Syrien?“ marci1978 sieht’s so: „Klar ist es nicht richtig, was der Russe macht, aber ist ein Schalker Besuch denn gleichzustellen mit einer Unterstützung Putins?“ MeisterallerKlassen: „Prinzipiell ist das ok, denn sonst müsste man auch konsequent auf die Sponsorengelder verzichten. Ist allerdings nicht die beste Zeit für einen solchen Besuch.“

Umfrage in Gelsenkirchen

„Warum sollten sie nicht fahren? Gazprom ist schließlich der Sponsor?“ (Jörn N., 31, Ückendorf)
„Tönnies hat doch gesagt, dass die Spieler den Kreml sehen wollen.“ (Herbert Rybarz, 77, Herne)
„In der aktuellen weltpolitischen Situation sollte man das nicht machen.“ (Franzjosef Kraski, 65, Bulmke-Hüllen)
„Unter anderen Umständen fände ich diesen Besuch unverfänglich.“ (Evelyn Kendzia, 59, Altstadt)
„Es ist Tönnies’ Job, den Laden am Laufen zu halten. Gazprom bringt Geld.“ (Wolfgang Alfänger, 68, Heßler)