Kiew. Die Ukraine steht vor dem Bankrott - für die hohen Gasforderungen aus Russland ist kaum Geld da. Nun droht der mächtige Moskauer Staatskonzern Gazprom mit einem Lieferstopp. In der Ostukraine sorgen moskautreue Kräfte erneut für Krawalle.
Die Ukraine und Russland steuern auf einen neuen Gaskonflikt zu. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warf dem Nachbarland "wirtschaftliche Aggression" vor. Kiew werde die massiv erhöhten Preise für russisches Gas nicht zahlen. "Das ist kein wirtschaftlicher, sondern ein politischer Preis", sagte Jazenjuk. Energieminister Juri Prodan drohte, den russischen Staatskonzern Gazprom vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen.
Jazenjuk warnte, Russland könne die Lieferungen ganz einstellen. Die Ukraine und die EU müssten darauf vorbereitet sein. Die Ex-Sowjetrepublik ist das wichtigste Transitland für russisches Gas nach Westen. Wegen bilateralen Streits waren in der Vergangenheit wiederholt auch in der EU die Vorräte knapp geworden.
Gaspreise als politisches Druckmittel
Gazprom-Chef Alexej Miller forderte die nahezu bankrotte Ukraine mit Nachdruck auf, ihre Schulden zu begleichen. Kiew steht nach Moskauer Angaben mit 2,2 Milliarden US-Dollar (rund 1,6 Milliarden Euro) allein für Gas in der Kreide. "Wir können Gas nicht kostenlos liefern", sagte Miller. Wegen eines günstigen Gasvertrages mit Kiew vom April 2010 seien Moskau 11,4 Milliarden US-Dollar entgangen, sagte der Vertraute von Präsident Wladimir Putin.
Gazprom hatte zum April den Gaspreis auf 485,5 Dollar angehoben und den Schritt mit Milliardenschulden der Ukraine und dem Wegfall eines Sonderrabatts begründet. Moskau steht im Ruf, die Gaspreise auch als politisches Druckmittel einzusetzen.
Gazprom-Vize Alexander Medwedew wies die Vorwürfe zurück. "Gas ist keine Waffe, es ist eine Ware", sagte Medwedew dem "Handelsblatt". Er versicherte, Lieferungen an den größten Einzelabnehmer Deutschland seien nicht gefährdet. "Wir haben nicht die Preise erhöht", sagte der Topmanager. "Wir kommen jetzt einfach wieder zurück zu der vereinbarten marktorientierten Preisformel."
Pro-russische Milizen fordern Abspaltung der Ost-Ukraine
In der Ostukraine sorgten prorussische Aktivisten erneut für Krawalle. Anderthalb Monate vor der Präsidentenwahl drangen Maskierte trotz eines massiven Polizeiaufgebots in die Gebietsverwaltungen der Millionenstädte Donezk und Charkow ein. Sie warfen Fenster ein und hissten die russische Flagge statt der ukrainischen, wie das örtliche Internetportal novosti.dn.ua am Sonntag berichtete. Ultimativ forderten die Angreifer die Ansetzung von Referenden über einen Anschluss an Russland wie zuvor auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim.
Die Regierung in Kiew fürchtet Provokateure aus dem nahen Russland. Der Kreml hatte wiederholt betont, seine Bürger in der russischsprachigen Ostukraine notfalls auch militärisch zu schützen.
In der Stadt Lugansk nahe der Grenze zu Russland attackierten Demonstranten die Vertretung des Geheimdiensts SBU. Dabei wurden zwei Menschen verletzt. Der SBU ließ nach Verhandlungen sechs prorussische Aktivisten frei. Wegen bewaffneten Umsturzversuchs hatte der SBU in dem Gebiet 15 Menschen festgenommen. Sie hätten mit Waffengewalt die Macht übernehmen wollen. Die Behörden machten keine Angaben dazu, ob es sich dabei um prorussische Aktivisten handelte.
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB räumte ein, dass sich Vizechef Sergej Besseda am 20. und 21. Februar in Kiew aufgehalten habe - also zu der Zeit, als dort die tödlichen Schüsse auf Dutzende Regierungsgegner fielen. Thema sei aber allein der Schutz der russischen Botschaft gewesen, zitierten Moskauer Agenturen namentlich nicht genannte FSB-Mitarbeiter. Die ukrainische Regierung macht den FSB mitverantwortlich für das Blutbad im Zentrum von Kiew. (dpa)