Gelsenkirchen. . Der Gelsenkirchener Werner Rybarski sieht in seinem Gastbeitrag zum Thema Verzicht eine schlaue Alternativen zum Bisherigen. Ausprobieren führt vielleicht auch zu Entscheidungen für das bessere, vielleicht sogar gute Leben.

Auf etwas verzichten? Da wenden Sie sich jetzt aber den Falschen. Ich verzichte auf gar nichts! Oder wenn doch, dann ungern. Also soll ich jetzt als Lebemann über Askese reden, Wein trinken und Wasser predigen? Nun gut, Sie haben es so gewollt!

Also: Am leichtesten kann ich auf humorlose und intolerante Menschen verzichten. Auch auf Standby-Stromfresser. Aber worauf kann ich nicht verzichten? Auf Liebe, Familie, Freunde, auf eine erfüllende Arbeit. Und verzichten auf ein Bier bei leckerem Essen? Auf Sonne in meinem Garten? Gar auf Schokokrümmel in einem Buch? Auf fröhliches Lachen und fairen Kaffee. . . warum? Auf Verzichtsschmerzen kann ich gerne verzichten.

Und was ist mit den Dingen, auf die ich wirklich verzichten wollte oder leider sollte? Kein Problem, tut meistens nicht weh – wenn ich mich belohne. Nehmen wir zum Beispiel meinen Verzicht auf eine Viertelstunde Schlaf am Morgen: Das ist natürlich ein ungünstiger Start. Zur Belohnung gibt es aber ein paar Yogaübungen, mit denen es besser mit dem Tag klappt. Oder mein Verzicht auf das Auto. Schmerzhaft? Kaum.

"Verzicht auf Probe"

Mit dem gesparten Geld kann ich mir andere Dinge erlauben (siehe oben). Und in der Bahn kann ich besser lesen als am Steuer des Autos. Ist ungefährlicher. Und da habe ich ja noch mein Fahrrad: Es stinkt nicht, ist leise, verstopft nicht die Straßen, braucht kein Benzin, hält mich gesund und ist immer ein Erlebnis. Und brauche ich einen neuen Fernseher? Jetzt noch nicht. Denn Nahsehen kann manchmal auch schön sein und Hinsehen recht nützlich. Und unnötigen Stromverbrauch kann ich in mehrere Tage Urlaub eintauschen.

Und dann kenne ich noch den zeitlich befristeten Verzicht, vor oder auch nach Ostern. Oder nur den „Verzicht auf Probe“, der immer mal geht. Um einfach mal zu sehen, wie das so ist. Ob ich noch groß und stark bin. Oder wenigstens etwas neugierig. Ja, warum nicht? Wer weiß, was daraus entsteht? Vielleicht sogar eine neue Aktivität, für die ich kein Geld ausgeben muss? Oder grandioses Scheitern. Oder gar nichts. Zumindest probiert man etwas aus, bleibt frisch im Kopf. Und merkt, dass es nicht immer um „Sekt oder Selters“ geht, sondern darum, dass weniger oft viel mehr sein kann.

Und auch bei dem Thema „Nachhaltigkeit“ trinke ich lieber Wein, als Wasser zu predigen. Denn auch hier geht es weniger um Verzicht, als um ein „Mehr“, um Gewinn. Gewinn im Leben durch schöne oder manchmal schlaue Alternativen zum Bisherigen. Um Entwürfe, Ausprobieren und Entscheidungen für das bessere, vielleicht sogar gute Leben.