Gelsenkirchen. . Einsatzhundertschaften Gelsenkirchen und Recklinghausen üben auf dem THW-Gelände am alten Parkstadion, wie man Gewaltorgien unterbindet und Straftäter aus der schützenden Masse zieht
Flaschen sausen durch die Luft, lichterloh brennt Feuerwerk und auch fiese Fäuste fliegen. Szenen, mit denen Polizeibeamte tagtäglich konfrontiert werden, nicht zuletzt bei Demonstrationen und Fußballspielen. Wer ist Opfer, wer Täter, wie die Gewaltorgie, die Straftaten eindämmen?
Solch einer Herausforderung sahen sich junge Polizisten ausgesetzt. Sechs Wochen lang haben sie in einer Fortbildung für ihren Dienst in der Einsatzhundertschaft die Schulbank gedrückt, die Übung auf dem THW-Gelände im Schlagschatten des alten Parkstadions bildet den Schlusspunkt.
Die Szenarien
1. Auf einem Raststätten-Parkplatz hat es Ärger gegeben, Diebstähle, und mutwillige Zerstörung, Rangeleien. Der Bus will weiterfahren, einige Täter im Schutze des unüberschaubaren Getümmels fliehen.
2. Zwei verfeindete (Fan-)Gruppen/Demonstranten treffen aufeinander, die ohnehin angespannte Situation eskaliert plötzlich – Massenschlägerei.
3. Ein Bus wird von einer aufgebrachten Meute angegriffen, Wurfgeschosse fliegen, es hagelt Tritte und Schläge – gleichzeitig versucht ein zweiter grölender Mob, zum Ort des Geschehens vorzudringen.
Der Ablauf
Die Beamten der Einsatzhundertschaft umstellen und riegeln den Tatort hermetisch ab, „separieren etwaige Kontrahenten und bilden einen so genannten Trichter“, erklärt Olaf Geldermann, Leiter der Hundertschaft GE. Kamerawagen und Beamte mit mobilen Aufnahmegeräten sind natürlich auch vor Ort – Beweissicherung lautet hier das Stichwort. Weiter geht’s. Sechsertrupps in voller Schutzmontur, per Funk von Beobachtern instruiert „über Position und Aussehen des mutmaßlichen Straftäters“, sagt der 1. Polizeihauptkommissar, stürmen auf kurzem Weg den Pulk. Zwei Polizisten nehmen einen Delinquenten vorläufig fest, vier sichern nach allen Seiten ab.
Einer nach dem anderen wird so zu den Einsatzwagen gebracht. Mit dem Gesicht zum Fahrzeug lehnen die Täter da, die Hände hoch, die Beine weit auseinander, von zwei Beamten fest fixiert. Einer wacht, einer filzt – Sicherheit geht eben immer vor. Gesichert werden dazu noch „verwertbare Beweismittel – Diebesgut, Waffen und Ähnliches“, aber fein säuberlich getrennt und aufbewahrt in durchsichtigen Tüten von persönlichen Habseligkeiten wie etwa Mobiltelefon und Portemonnaie.
Das Fazit
Eine ausführliche Manöverkritik nebst umfassender Analyse der einzelnen Maßnahmen wird es intern geben, zumal die kleine Schar Prüfer – Ausbilder in gelben Warnwesten und mit Schreibbrettern und Kuli „bewaffnet“ – erst einmal ihre vielen Notizen auswerten müssen.
Doch so viel lässt sich sagen, es ging nicht alles glatt bei der Großübung: „Trennen und Trichter, Personalienaufnahme und Durchsuchungen haben gut geklappt“, bilanziert Olaf Geldermann in einer ersten Einschätzung. „Beim Umstellen gab es ein paar Probleme. Einige Täter konnten sich absetzen und fliehen.“ Ob es aus Unachtsamkeit geschah oder weil zu wenig Kräfte vorhanden waren – einige Polizisten waren noch mit einem anderen Szenario beschäftigt – wird die Rückschau zeigen. Aber dafür ist es ja eine Übung.
Ziel: Abläufe üben, Beweise sichern
Die Justiz hat es schwer, bei Störungen der öffentlichen Ordnung, und nichts anderes stellen die oben beschriebenen Szenarien dar, strafrechtlich durchzugreifen. „Gerichtsverfahren ohne harte Personen- oder Sachbeweise sind in der Vergangenheit oft im Sande verlaufen“, sagt Thorsten Sziesze, Sprecher der Polizei Gelsenkirchen. Die Übungen, vier Mal jährlich abgehalten, dienten unter anderem dazu, der Staatsanwaltschaft künftig zwingende Beweise für eine mögliche Verurteilung zu liefern. Sprich: Zeugen, Videos und Beweismittel wie etwa Diebesgut und Feuerwerkskörper. Betont wurde zudem, dass die Übung nicht im Zusammenhang mit den Krawallen beim Champions League Spiel gegen Paok Saloniki zu tun haben.
Beteiligt an der Übung waren die Hundertschaften Gelsenkirchen und Recklinghausen, die Vest-Truppe mimte dabei die Krawallmacher.