Gelsenkirchen. Kinderärzte in Gelsenkirchen haben oft einen überfüllten Terminkalender. Kein Wunder, müssen sie doch im Schnitt 2666 Kinder versorgen. Das sind fast doppelt so viele wie im bundesweiten Durchschnitt. Ein weiteres Problem: Ein Drittel der niedergelassenen Ärzte ist bereits über 60 Jahre alt.
Gelsenkirchener Ärzte müssen immer mehr Kinder versorgen. Das behauptet zumindest eine neue Studie des Marktforschungsinstituts uniQma. Dieses fragte: Wie sieht die kinderärztliche Versorgung in Deutschland aus? Untersucht wurden 30 Städte in Deutschland mit der höchsten Anzahl an Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre. Gelsenkirchen belegt demnach das Schlusslicht.
Ein Arzt versorgt ca. 1474 Kinder im Durchschnitt der untersuchten Städte. Deutlich mehr Patienten als im bundesweiten Durchschnitt sind es in Duisburg, Dortmund oder Bochum. Gelsenkirchen steht am Ende der Liste. Hier muss ein Arzt fast doppelt so viele Kinder (2666) versorgen wie im Durchschnitt der untersuchten Städte. „Dass Gelsenkirchen ein kinderärztliches Versorgungsproblem hat, können wir grundsätzlich nicht bestätigen“, sagt Christopher Schmidt, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.
Mit den aktuell 15 niedergelassenen Kinderärzten im Stadtgebiet liege der Versorgungsgrad bei 124 Prozent. Darüber hinaus gebe es mit der Kinderklinik sowie der dort angesiedelten kinderärztlichen Notfalldienstpraxis weitere Anlaufstationen für die kinderärztliche Versorgung.
Drei Praxen mussten schließen
Doch: Seit Dezember 2012 haben drei Kinderärzte allein in der Innenstadt ihre Praxen geschlossen. Für nur eine Praxis hat sich eine Nachfolgerin gefunden. Was sich seitdem aber verändert hat: Seit Januar 2013 rechnet die Kassenärztliche Vereinigung bei der Erhebung und Planung auch die flächenmäßige Verteilung der Mediziner ein. Diese sei ausgewogen, ein Gefälle etwa zwischen Buer und südlichen Stadtteilen gebe es nicht, meint Schmidt. So die Theorie. Und wie sieht die Praxis aus?
„Die Zahlen sind offiziell immer gut, doch in der Praxis haben wir Kinderärzte überfüllte Terminkalender“, weiß Dr. Katharina Walter, die seit dem 1. Oktober die Nachfolge der Praxis von Dr. Kothe an der Bahnhofstraße 19 übernommen hat. Quellen die Terminkalender über, können kaum kurzfristige Fälle behandelt werden. „Wir brauchen 1200 Patienten pro Quartal, damit sich die Praxis wirtschaftlich lohnt – das sind aber umgerechnet nur 5 Minuten pro Patient.“
Gerade in einer Stadt wie Gelsenkirchen mit viel sozial schwachem Klientel, seien die Anforderungen an Kindermediziner hoch, weiß auch Dr. Christoph Rupieper, Sprecher der Gelsenkirchener Kinderärzte. Denn: „Den Ärzten werden oft Aufgaben zugeschrieben, die keine medizinischen sind.“ Heißt: viele Eltern suchen häufiger medizinische Hilfe — auch bei kleinsten Infekten. Das Grundproblem eines niedergelassenen Arztes sei eben, „dass er immer entscheiden muss zwischen drei Polen: wissenschaftlich-akademischer Arbeit, der Wirtschaftlichkeit und Dienstleistung“.
Den Nachwuchs binden
Probleme ergeben sich, wenn man die Altersstruktur der Kinderärzte in Gelsenkirchen betrachtet. „So sind fünf der insgesamt 15 Kinderärzte schon über 60 Jahre alt und es ist davon auszugehen, dass diese Mediziner in den kommenden Jahren versuchen werden, ihre Praxen an Nachfolger zu übergeben“, sagt Christopher Schmidt. Er räumt ein: „Dies könnte schwierig werden.“
Nachfolger für ihre Praxen zu finden, ist nicht nur für Kinderärzte ein Problem, sondern auch für niedergelassene Allgemeinmediziner – selbst für gut laufende Praxen. „Junge Ärzte sind heute weniger bereit, das Risiko einer Niederlassung einzugehen“, weiß Dr. Klaus Rembrink, Urologe und stellv. Bezirksstellenleiter in GE. Daher haben die niedergelassenen Mediziner eine Vereinbarung mit den Kliniken in Gelsenkirchen geschaffen. „Diese legt fest, dass junge Ärzte während ihrer Ausbildung die nötigen Weiterbildungsplätze ohne Wartezeit antreten können – denn sie lassen sich meist dort nieder, wo sie ihre Ausbildung absolviert haben.“
Dr. Katharina Walter, die als Kinderkardiologin von der Uniklinik Aachen kommt, hat die Herzlichkeit des Praxisteams überzeugt, sich in der Altstadt niederzulassen. „Zudem ist es ein schönes Gefühl, wohin zu kommen, wo man gebraucht wird – die Eltern sind dafür sehr dankbar.“