Gelsenkirchen. . Gellende Pfiffe, Zwischenrufe und lange Rednerlisten: Bei der Jahreshauptversammlung ernten die Vereinsgremien beißende Kritik für den Dreijahresvertrag mit der Online-Ticketbörse viagogo. 8100 Mitglieder bestätigen den Schalke-Kurs dennoch mit klaren Mehrheiten nach einer Marathonsitzung.
Die Wut vieler Fans auf Vorstand und Aufsichtsrat des FC Schalke 04 ist ungebrochen groß. Den Dreijahresvertrag mit der Online-Ticketbörse viagogo (1,2 Mio Euro per anno für Königsblau; Start 1. Juli) nehmen sie persönlicher, als die beiden Vereinsgremien es in ihren kühnsten Träumen hätten erahnen können. In der Aussprache ging es Samstag auf der Jahreshauptversammlung in der Veltins-Arena daher erwartungsgemäß emotional zur Sache. Da kochte der Pott!
Wann immer die Schalker Vorstände Peter Peters (Finanzen) und vor allem Alexander Jobst (Marketing) das Thema zur Sprache brachten, reagierten die viagogo-Gegner unter den in der Spitze über 9000 Fans, davon waren gut 8100 stimmberechtigte Mitglieder, mit lauten Zwischenrufen und Pfeifkonzerten. Einzig Horst Heldts Rede wurde mit Applaus begleitet, als er sportlich Bilanz zog und Ausblicke auf die neue Spielzeit gab. Der Manager selbst war es, ganz Sportmann, der die Fans daran erinnerte, dass auch er als Vorstandsmitglied die Entscheidung mitgetragen hatte, das lukrativ erscheinende Geschäft mit der Ticketbörse abzuschließen. Ehrenpräsident Gerd Rehberg warb angesichts der hitzigen Diskussionen für Vertrauen in die Entscheidungen der Gremien und „für einen starken Zusammenhalt der Schalker Familie“. Und Clemens Tönnies, später mit einem eindrucksvollen Votum als Aufsichtsrat wiedergewählt, will sogar den größten Bulldozer, den es gibt, anschaffen, um die Gräben wieder zu schließen.
Rehberg wirbt bei den Mitgliedern um Vertrauen
Das war am Samstag nur in Teilen möglich. Da traf Tradition auf Moderne. Da prallten Fan-Vorwürfe (Legalisierung des Schwarzmarktes, unsoziales Verhalten der Gremien) auf Rechtfertigungen mit wirtschaftlichem Hintergrund (Verbesserung der Einnahmesituation, fortschreitende Konsolidierung).
Stefan Barta - Fan, Mitglied und Autor mehrerer Schalke-Bücher - sagte: „Mir bricht da das blau-weiße Herz auseinander. Da gehen 10 mal 300 Karten an einen Schwarzmarkthändler, statt lieber 10 mal 300 Karten für Kumpel und Malocher zur Verfügung zu stellen, die sich das Fußball-Event Schalke 04 nicht leisten können.“
Michael Eckl, mit Frank Zellin Gründer der viaNOgo-Plattform, kündigte weiteren Widerstand an; „Ich werde keinen Fuß mehr in diese Arena setzen, solange der Deal mit viagogo läuft.“ Er und andere forderten: „Stoppt den Deal.“
Das wird nicht geschehen. Jobst allerdings versprach für den Vorstand: „Wir haben die Botschaft verstanden und werden darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden. Verstöße werden wir ahnden.“ Außerdem sprach der Marketing-Experte von einer Klausel, die Schalke 04 nach zwei Jahren einen Ausstieg ermöglicht. Auch das wurde zur Befriedung in Aussicht gestellt.
Der radikal anmutenden Aufforderung von zwei Mitgliedern, den Vorstand nicht zu entlasten, kam die Versammlung nicht nach. Peters, Heldt und Jobst sowie der Aufsichtsrat hatten angesichts der Diskussion überraschend klare Mehrheiten auf ihrer Seite, als es um die Sanktionierung ihrer Arbeit ging.
Reaktionen, Wahl-Ergebnisse und Kandidaten für die Ruhmeshalle
Clemens Tönnies reagierte auf die Kritik u. a. von Stefan Barta: „Wir sind gut aufgestellt. Von den Chaos-Tagen vergangener Jahre sind wir weg. Ich bin stolz, dass wir unsere Rechnungen pünktlich bezahlen. Ich bin stolz, dass wir international im Topf 2 sind. viagogo hin oder her – es gibt viele Vereine, die solche Sorgen gerne hätten. Wir klagen auf einem verdammt hohen Niveau.“
Zwei Plätze im Aufsichtsrat wurden neu vergeben. Tönnies und Andres Schollmeier standen zur Wiederwahl, dazu kam mit Peter Lange ein Ex- Mitglied des Gremiums. Die Versammlung wählte Tönnies (4496 Stimmen) und Lange (2744); Schollmeier (1937) schied aus.
Josef Schnusenberg, Dr. Peter Paziorek und Manfred Kreuz wurden ins Ehrenpräsidium gewählt. Den Ehrenrat bilden nun Prof. Klaus Bernsmann, Hans-Joachim Dohm, Klaus Fischer, Volker Stuckmann und Dr. Herbert Tegenthoff.