Gelsenkirchen. Dass es eine emotionale Jahreshauptversammlung werden würde, war klar: Schon im Vorfeld hatte der Deal mit dem Tickethändler Viagogo viele Schalke-Fans erzürnt, dementsprechend lange dauerte die Aussprache. Dennoch konnten Vorstand und Aufsichtsrat am Ende erleichtert sein.

Laute Pfiffe, wüste Beschimpfungen und Rücktrittsforderungen gegen die Vorstandsmitglieder Peter Peters ("Peters raus") und Alexander Jobst ("Wir sind Schalker - und du nicht") - bei der denkwürdigen Jahreshauptversammlung 2013 diskutierten die Mitglieder des FC Schalke 04 vor allem über den 3,6-Millionen-Euro-Deal mit dem Internet-Tickethändler Viagogo. Emotional, mit viel Pathos, nicht immer fair. Stoppen konnten die Mitglieder den Deal nicht - eine große Mehrheit der 5700 Mitglieder votierte bei einer nicht bindenden Probeabstimmung dennoch dafür, den Vertrag zu beenden. "Wir haben Prügel bekommen, wie ich es in den 19 Jahren noch nicht erlebt habe", resümierte der Schalker Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies.

"Wir" - damit meinte Tönnies nicht nur den Aufsichtsrat, sondern vor allem Peters und Jobst. Während Finanzvorstand Peters gerade sein 20-jähriges Dienstjubiläum feierte, ist Jobst seit zwei Jahren Marketingvorstand. Am Samstag hatte Jobst seinen schwersten Arbeitstag bei den Königsblauen. Er musste in seiner Rede den Viagogo-Vertrag verteidigen. Jobst, sichtbar nervös, redete 19 Minuten lang. Die Gesten wirkten so hölzern, als wären sie im Manuskript vermerkt.

Der Vertrag mit Viagogo

Der Internet-Tickethändler Viagogo darf in den drei Vertragsjahren zehnmal 300 Karten mit maximal 100 Prozent Aufschlag versteigern und kassiert zudem eine Bearbeitungsgebühr. Dafür zahlt Viagogo 1,2 Millionen Euro pro Saison. Die Gruppe "ViaNOgo" kämpft seit Monaten gegen den Deal und wollte eine außerordentliche Jahreshauptversammlung erreichen. Doch dafür fehlten gut 1000 Unterschriften.

Bei der Aussprache ging es fast nur um Viagogo

"Das ist ein wirtschaftlich lukrativer Sponsorenvertrag", sagte Jobst. "Mal eben auf 3,6 Millionen Euro zu verzichten: So dicke hat es der FC Schalke 04 nicht." Dann verkündete Jobst, "mit Start 1. Juli genau zu schauen, ob die vertraglichen Regelungen von Viagogo eingehalten werden. Sollte das nicht der Fall sein, werden wir den Vertrag so früh wie möglich beenden. Dann ist nicht nach drei Jahren, dann ist nach zwei Jahren Schluss." Mehr hatte er für die Kritiker nicht zu bieten. Jobst ergänzte noch: "Ich lasse unsere Arbeit aber nicht auf Viagogo reduzieren. Wir haben größere und wichtigere Aufgaben."

Das sahen die Fans anders. Bei der Aussprache zu den Vorstandsberichten ging es fast ausschließlich um Viagogo. Die Vereinsführung saß versteinert auf dem Podium - sie hatte das Thema offenbar unterschätzt. Schalke-Fan Stefan Barta warf der Vereinsführung vor, "undemokratisch und mitgliederverachtend" zu handeln und ergänzte: "Wenn zu diesem Kumpel-und-Malocher-Klub auch Peters, Jobst und Tönnies gehören würden, gäbe es keine 10 x 300 Eintrittskarten für einen Tickethändler namens Viagogo, sondern 10 x 300 Eintrittskarten für Kumpel und Malocher aus Gelsenkirchen, die sich das moderne Fußballevent nicht mehr leisten können."

"Wir fühlen uns verraten und verkauft"

Michael Eckl aus Regensburg, einer der Initiatoren der Gruppe "ViaNOgo", ergänzte: "Wir fühlen uns verraten und verkauft. Gemeinsam mit einigen Herzblut-Schalkern kämpfe ich gegen den Teufelspakt. In Zukunft bleibt unser Ziel: Stoppt den Deal!" Auch Eckls Partner Frank Zellin ging ans Mikro: "Sie, Herr Jobst, wissen nicht, was Schalke ist. Herr Jobst: Wer Schalke nicht liebt, sollte Schalke verlassen. Viagogo ist Abzocke. Sagen sie uns, was die Scheiße kostet, wenn wir das Ding kündigen. Jeder Vertrag ist kündbar."

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Eckl und Zellin bemängelten, dass alle Anträge dieser Gruppe für die Versammlung abgelehnt wurden. Roman Kolbe, Redakteur des Fanzines "Schalke unser", forderte eine Abstimmung über den Vertrag - obwohl die keine Konsequenzen nach sich ziehen würde. Kritik gab es am Verbot der Unterschriften-Aktion von ViaNOgo vor der Arena.

Vorstand und Aufsichtsrat entlastet

Unterstützung für Jobst und Peters gab es nur von einer Minderheit. "Unsere Vereinsführung sollte die Chance haben, wahrzumachen, was sie angekündigt hat", merkte Ralf Brauksiepe an. Günther Reipen verteidigte Jobst: "Ihn zum Satan zu machen, ist stupide, dumm und falsch. Wenn man Schuldige sucht, dann eine Etage höher. Fest steht: Viagogo darf sich nie wiederholen. Nie wieder ein Sponsorenvertrag mit Karten."

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Zwei Stunden lang redeten sich die Mitglieder den Frust von der Seele, bevor die Vereinsführung noch einmal reagierte. "Das geht mir nah", sagte Tönnies. Ähnliche Worte wählte Peters: "Es geht mir unter die Haut. Es ist schon bewegend." Der Deal mit Viagogo bleibt bestehen. "Ich sage zu, dass wir das alles sacken lassen und darüber nachdenken", erklärte Peters. Einen Denkzettel mit der Stimmkarte gab's nicht. Die Mitglieder entlasteten Vorstand und Aufsichtsrat.