Gelsenkirchen. . Eine Tafel auf dem Westfriedhof in Heßler erinnert an gestorbene Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Bis zu 40 000 lebten in der NS-Zeit in 150 Lagern.

Die Gruften der Familie Küppersbusch ragen auf dem Weg zum Gräberfeld des Westfriedhofs heraus – allein durch ihre Größe. Unter schlichten Steinen, eingebettet in Bodendecker und unterbrochen von Rasenstreifen, sind ein Stück weiter 179 Menschen beigesetzt: Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, verschleppt, zur Arbeit gezwungen und fern der Heimat gestorben ruhen sie seit fast 70 Jahren in Heßler. Vielfach anonym, in der Regel ohne weitere Hinweise. Das hat sich jetzt geändert. Eine Tafel macht die Grabstätte nun zum Erinnerungsort mit historischem Bezug und liefert Erklärungen zu den Menschen, die dort als Opfer der NS-Diktatur beigesetzt wurden.

Arbeitssklaven für die NS-Diktatur

Das Russische Center, der Schutz- und Integrationshilfeverein Gelsenkirchen, hatte den Anstoß für die Tafel gegeben, die jetzt eingeweiht wurde – 72 Jahre nach Hitler-Deutschlands Überfall auf die UdSSR. „Es ist gut und es ist nötig, dass sich unsere Stadt öffentlich an diese Ereignisse, an diesen dunklen Abschnitt unserer Stadtgeschichte erinnert, heute und in Zukunft“, würdigte Oberbürgermeister Frank Baranowski „diesen wichtigen Beitrag zu unserer Gelsenkirchener Erinnerungskultur“

Gelsenkirchen gehörte zu den Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs lange bevor die alliierten Bomber das Revier trafen und die Truppen der Befreier schließlich die Stadt erreichten. In der Industriestadt lief die Kriegsmaschinerie der Nazis, angetrieben von deutschen Beschäftigten und Legionen von Zwangsarbeitern. Kriegsgefangene aus den Ländern, die von der Wehrmacht überfallen worden waren, wurden für die NS-Kriegswirtschaft eingesetzt.

Die meisten Opfer kamen aus der Sowjetunion

Woher die meisten Opfer kamen, zeigen die Grabsteine: Insbesondere aus der Sowjetunion wurden Frauen und Männer verschleppt. Allein in Gelsenkirchen gab es 80 Zivilarbeiter- und 70 Kriegsgefangenenlager. Die größten, so Dr. Stefan Goch, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte (ISG), wurden für Gelsenberg eingerichtet. An die 40.000 Menschen lebten zeitweise in den Lagern. Baranowski: „Das bedeutet, dass ein sehr großer Teil der Bevölkerung faktisch Arbeitssklaven waren. Es ist eine so unfassbar große Zahl gewesen, dass niemand nachher behaupten konnte, nichts vom Schicksal der Kriegsgefangenen mitbekommen zu haben, die hier unter oft unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten.“

„Wir haben auf nahezu allen Friedhöfen solche Gräber. Manche Steine sind in kyrillisch beschriftet. Das erschließt sich nicht jedem. Deshalb versuchen wir mit der Tafel, mehr zu erklären“, so Goch. Weitere sollen folgen. Am Hauptfriedhof in Buer oder auf dem Friedhof in Horst gibt es zwar schon Hinweise auf die Ruhestätten der Zwangsarbeiter – aber bislang jeweils im Eingangsbereich.