Gelsenkirchen/Essen. . Dass das Opfer die Tat überlebte, grenzt an ein Wunder: Neunmal hat der Bottroper Michael U. (32) mit einem Fleischermesser an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen auf einen Studenten aus Oberhausen eingestochen. Ab Freitag steht U. wegen versuchten Mordes vor Gericht. Geldnot soll das Motiv sein.

Das Verbrechen hat Gelsenkirchen im Januar dieses Jahres schockiert. Bis hoch in die Stadtspitze: Oberbürgermeister Frank Baranowski zeigte sich erschüttert, nachdem ein Student aus Oberhausen auf einem Parkplatz der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen niedergestochen und lebensgefährlich verletzt worden ist. Der Täter, ein 32-jähriger Bottroper, muss sich ab kommenden Freitag vor dem Landgericht Essen wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und schweren Raubes verantworten. Festgenommen wurde Michael U. zwei Tage nach den beinahe tödlichen Messerstichen - kurz nachdem er seine nächste Tat begangen hatte, einen Überfall auf eine Zeitungszustellerin in Marl. Auch dieser versuchte schwere Raub ist in dem auf zunächst vier Verhandlungstage anberaumten Prozess mit angeklagt.

Dass das Opfer die Messerstiche auf dem Hochschul-Parkplatz am Abend des 10. Januar überlebt, grenzt an ein Wunder. Hinterrücks hat Michael U. den 22-jährigen Oberhausener attackiert: Mit einem Fleischermesser mit einer rund 20 Zentimeter langen Klinge sticht der Bottroper neunmal auf sein Opfer ein. Dabei trifft Michael U. unter anderem die Lunge des Studenten. Zudem setzt der Täter seinem Opfer mit einem Elektroschocker zu. Lebensgefährlich verletzt kann sich der Oberhausener wegschleppen und um Hilfe schreien. Michael U. durchwühlt nun die Tasche des Studenten auf der Suche nach dem Autoschlüssel des jungen Mannes. Sie bleibt ergebnislos. U. flüchtet mit der Tasche vom Tatort.

Den Beamten wird U. später beide Taten gestehen

Keine 48 Stunden nach der ersten Tat nähert sich U. am Morgen des 12. Januar einer Zeitungszustellerin und attackiert auch sie mit einem Elektroschocker und mit Pfefferspray. Weil die Frau sich wehrt und um Hilfe schreit, flüchtet der Bottroper in Richtung des Bahnhofs Marl-Mitte. Dort kann ihn die Polizei schließlich festnehmen. Den Beamten wird Michael U. wenig später beide Taten gestehen.

Nach den Attacken bleiben Fragen, auf die der Prozess Antworten liefern könnte - nicht zuletzt zur konkreten Motivlage: Aus Geldnot, so gab er den Ermittlern zu Protokoll, will Michael U. gehandelt haben. Der will er mit dem Raub eines Studenten-Autos, eines gewöhnlichen Mittelklassewagens, begegnen, um schnell „Kasse zu machen“? Der Bottroper, bislang nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten, soll sozial integriert gewesen sein und ein unauffälliges Leben geführt haben. Nur lebt er mit 32 Jahren immer noch bei seinen Eltern. Nach dem Abi macht er eine Ausbildung als Elektroniker, beginnt zwei Studiengänge, um sie später wieder abzubrechen, im vergangenen Sommer soll er seinen Bachelor in Informatik an der Westfälischen Hochschule gemacht haben. Doch als Informatiker arbeitet U. nicht, als Zeitungszusteller jobbt er selbst bis zu den Taten.

Keine Hinweise auf psychische Auffälligkeiten

U., der bei seiner Festnahme nach Zeugenangaben einen verwirrten Eindruck gemacht haben soll, wird zunächst in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, die er aber schnell wieder verlässt. Seitdem sitzt der 32-Jährige in Untersuchungshaft. Im Rahmen der Hauptverhandlung wird auch ein Psychiater gehört, der sich mit dem Angeklagten im Vorfeld unterhalten hat. Hinweise auf psychische Auffälligkeiten hat es bislang offenbar nicht gegeben. Michael U. gilt als schuldfähig.

Das Opfer aus Oberhausen wird der Verhandlung beiwohnen. Wie die Zeitungszustellerin aus Marl lässt sich der Student anwaltlich als Nebenkläger vertreten. Ihr Mandant leide noch immer sehr unter den seelischen und körperlichen Verletzungen, die ihm durch die Tat zugefügt wurden, sagt die Oberhausener Rechtsanwältin Eva Maria Wagner. Auch ein halbes Jahr nach dem schrecklichen Vorfall stelle sich ihr Mandant stets die gleiche Frage: Warum hat Michael U. das getan?