Gelsenkirchen. In den kommenden acht Wochen steht der „Steinbruch Demokratie“ als eine Art kulturelle Baustelle auf dem Fritz Rahkob-Platz zwischen Hans-Sachs-Haus und Blue Box. Er soll in dieser Zeit zu einem Ort der lehaften Auseinandersetzung über das „Demokratische sein.

Er selbst ist von unkritischen Eltern zum braven Jungen erzogen worden. Das sagt Paul Baumann über sich selbst. Irgendwann hat er die Kurve gekriegt. Weil nachfragen statt schlichter Kenntnisnahme das Bewusstsein bildet.

Bewusstsein auch für das hohe Gut, in einer Demokratie leben zu dürfen. Aber, sagt Baumann: „Wir müssen den Menschen wieder helfen, Demokratie zu lernen.“ Der 67-Jährige macht das bei der Eröffnung des von ihm initiierten soziokulturellen Projekts „Steinbruch Demokratie - Aushöhlung oder Baustelle unserer Gesellschaft?“ an einem Beispiel deutlich. „Bei der letzten Landtagswahl sind 50 Prozent der Leute in Gelsenkirchen nicht zur Wahl gegangen.“ Was nicht nur er für äußerst bedenklich hält. „Da sitzen Politiker im Landtag, die vertreten keine Mehrheit mehr.“

„Gleichschalten - abschalten - ausschalten“

Die offizielle Einweihung des Kultur-Containers, der in den kommenden acht Wochen eingezäunt und mit Büchern und schwarzen Fetzen gestaltet auf dem Fritz-Rahkob-Platz steht, findet in der benachbarten Blue Box statt. 30 Leute lauschen hier dem höchst kritischen und nachdenklich stimmenden Vortrag von Gerd Herholz.

Der Leiter des Literaturbüros Ruhr hat unter der Überschrift „Gleichschalten - abschalten - ausschalten“ seine Bestandsanalyse des „Demokratischen“ 80 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zusammengefasst. Besser gesagt: seine Sorge um den Zustand der Demokratie, „die systematisch fortfährt, sich ebenso abzuschaffen wie abschaffen zu lassen, in dem sie ihre urteilsfähige Bürgerschaft als politisches Subjekt entsorgt“.

Warnung vor falschem Einsparen

Was man zurzeit sehe, so Herholz, sei, „dass der Kasinokapitalismus, die vollends entfesselten Finanzmärkte nicht nur Prekariat, Mittelschicht und Mittelstand, Kommunen oder Regionen in den Ruin treiben, sondern immer öfter ganze Staaten – für uns näher rückend vor allem in Südeuropa“. Der Kulturbewegte warnte davor, am falschen Ende zu sparen und etwa Kultur- und Bildungsangebote einzuschränken. „So haben wir mit Waltrop nördlich von Dortmund seit 2013 die erste kleine Mittelstadt im Ruhrgebiet, die sich keinerlei Stadtbücherei mehr leisten kann und will. Ein erschreckendes Signal – auch bundesweit – an alle Kommunen“, mahnt Herholz.

Er sei gespannt, wie die Bevölkerung sich bei diesem Projekt einbringe. Damit spricht Bürgermeister Klaus Hermandung bei seinem Grußwort Paul Baumann und seinen Mitstreitern aus dem Herzen. „Steinbruch Demokratie“ ist kein einfacher Kulturstoff. Aber die Auseinandersetzung damit tut Not.

Ein Themenabend mit Aktion und Film

„Denn auch die Steine in der Mauer werden schreien“: Beim Themenabend am Dienstag, 30. April, werden sich auch langjährig Erwerbslose zu Wort melden. Der Abend beginnt um 18 Uhr in der Ev. Altstadtkirche. Um 19 Uhr geht es dann gemeinsam zum Hans-Sachs-Haus. Dort findet eine Aktion statt. Abschließend wird im Kultur-Container der „Tanz auf dem Vulkan“ gezeigt. Alle Informationen zum Projekt und dem Programm auf www.steinbruch-demokratie.de