Gelsenkirchen.

Paul Baumann ist Initiator des soziokulturellen Mitmach-Projekts „Steinbruch.Demokratie“. Der Ort des Geschehens, ein roter Container, ist noch auf dem Hinterhof der Kaue „geparkt“. Ab dem 26. April soll der Container vor dem Hans-Sachs-Haus für acht Wochen ein Treffpunkt für die Menschen sein, die ihre Gedanken hörbar machen wollen.

Die Einrichtung ist karg, dennoch birgt dieser Container mit rotem Außenanstrich inhaltlich Großartiges: die Stärke des (Wieder)Wortes, die Herausforderung zur Diskussion – gern auch kontrovers –, die Plattform zur Auseinandersetzung mit 80 Jahren deutscher Vergangenheit.

Der Raum fordert zum Nachdenken auf, mahnt vor der Gefahr, Demokratie in Zeiten von Politikverdrossenheit, Protestwahlen oder gar Wahlmüdigkeit zu vernachlässigen und den kritischen Blick zu verlieren ...

Ort für zivilgesellschaftliche Akteure

Über allem steht die durchaus auch besorgte Frage: „Was haben wir eigentlich 80 Jahre danach gelernt?“ Paul Baumann stellt sie laut in den noch kargen Raum hinaus. Setzt nach: „Haben wir wirklich kapiert, was zwischen 1933 und ’45 passiert ist?“ Der 67-Jährige ist Initiator des soziokulturellen Mitmach-Projekts „Steinbruch.Demokratie“. Der Ort des Geschehens – das sind zwei zusammengehörige rote Container – ist noch auf dem Hinterhof der Kaue „geparkt“. Auf Zeit, genauer gesagt ab dem 26. April für die Dauer von acht Wochen, soll der Container im Herzen der Stadt Ort öffentlicher Auseinandersetzung sein. Platziert wird er vor dem Hans-Sachs-Haus.

Baumann will mit dem Projekt einen öffentlichen Raum zur Verfügung stellen, an dem Menschen hörbar machen, was sie denken. Mit verschiedenen kulturellen Angeboten und Aktivitäten wie der freitäglichen „Speaker’s Corner“ soll der Frage nachgegangen werden, ob Gelsenkirchener die Demokratie als Steinbruch ausbeuten oder ob sie sich an der Baustelle konstruktiv und kritisch für Demokratie einsetzen.

„Der Container ist anstößig nach außen – am neuen Hans-Sachs-Haus und in der Nähe des Musiktheaters“, sagt der 67-jährige Demokratiebewegte. „Aber er ist auch Einladung. Ein Ort für zivilgesellschaftliche Akteure.“ In diesem Zusammenhang erinnert Baumann an ein Projekt des Kulturreferats mit dem Titel „Demokratie lebt von Widerspruch.“ Auch daran möchte er anknüpfen, ganz Willy Brandt folgend: „Mehr Demokratie wagen.“ Zu den Aktiven, die im Verlauf des Projekts etwas zu sagen haben, gehört Birgit Stieler aus Duisburg, allein erziehende Mutter von vier Kindern, Hartz IV-Empfängerin. Sie hat irgendwann beschlossen, nicht mehr zu schweigen, hat ihre Geschichte und die Erfahrungen als Arbeitslose aufgeschrieben. Aus ihrem Buch wird sie vorlesen. Auch Gelsenkirchener können ihre Klagen aufschreiben – Zettel für Zettel wird ein Baustein an der GE-Klagemauer.

Drei Kooperationspartner stehen hinter dem Projekt

aul Baumann ist „irgendwie auch ein ‘68er“, wie er über sich selber sagt. Allerdings keineswegs ein rebellischer. Bundeswehr, verheiratet ...Auf dem zweiten Bildungsweg hat er Sozialarbeit studiert, hat zehn Jahre Jugendarbeit bei einem freien Träger gemacht, ist seit 1. Mai 1980 Gelsenkirchener. Hier war er im Bereich Jugend und Kultur bei der Stadt tätig, hat unter anderem das Gelsenkirchener Rocktheater mit gegründet.

„Steinbruch.Demokratie“ wird mit Mitteln aus dem Kulturcent-Topf des Musiktheaters im Revier mit gefördert; die Restfinanzierung kommt aus der eigenen Tasche und durch Mithilfe der UnterstützerInnen. Kooperationspartner des Projekts sind das Consol Theater, das Industrie- und Sozialpfarramt des evangelischen Kirchenkreises sowie das Referat Kultur. Bei der Eröffnung am 27. April spricht Gerd Herholz vom Literaturbüro NRW.