Gelsenkirchen. Um den inklusiven Sportunterricht an der Gesamtschule Berger Feld in Gelsenkirchen besser auf die Bedürfnisse von Kindern mit Förderbedarf anzupassen. Einrichtung arbeitet an neuem Konzept. TK hilft mit 5000 Euro
Erneut leistet die Gesamtschule Berger Feld Pionierarbeit in Sachen Inklusion. Nachdem nun seit sechs Jahren auch der gemeinsame Unterricht (GU) von Kindern mit und ohne Behinderung und/oder Förderbedarf Einzug im Fach Sport gehalten hat, arbeitet die Schule jetzt daran, ein erprobtes und übertragbares Konzept für inklusiven Sportunterricht zu entwickeln. Ein Leitfaden, der Sportlehrern Hilfe bietet, Schüler individuell zu fördern und dabei ihre Stärken und Schwächen zu berücksichtigen. Schulleiter Georg Altenkamp sieht darin die logische Konsequenz, „als Eliteschule des Fußballs und NRW-Sportschule Behindertensport genauso zu fördern wie den übrigen Leistungssport. Inklusion ist letztendlich allumfassend.“
Vielzahl an Förderschwerpunkten
Die Problematik bei der Umsetzung besteht indes darin, dass in einer GU-Klasse zum einen eine Vielzahl an Förderschwerpunkten vertreten sind – etwa Kinder mit motorischen, körperlichen oder geistigen Handicaps. Zum anderen fehlt es frisch ausgebildeten Lehrern oft noch an Wissen über sportpädagogische Förderung. „Mit Inklusion“, bestätigt Sport- und Biologielehrerin Julia Mohr, „bin ich nicht in Berührung gekommen. Und ich habe die Uni erst vor fünf Jahren verlassen.“ Wie also eine Rollstuhlfahrerin in ein Basketballspiel einbinden, ohne dass sie sich nur einen heißen Reifen fährt, aber kaum auf den Korb wirft; wie vereinfacht man Regeln bekannter Sportspiele, z. B. Völkerball, so, dass auch Kinder mit Aufmerksamkeits- und /oder Konzentrationsdefizit gemeinsam spielen?
Experten schulen die Lehrer
An dieser Stelle setzt nun der Projektpartner, die Techniker Krankenkasse (TK), den Hebel an. 5000 Euro stellt sie bereit, um „Lehrkräfte von Fachleuten schulen zu lassen“, sagte Markus Petermann, Vertriebsleiter bei der TK. Zwei Schulungen hat es bereits gegeben, die dritte ist für Sommer 2013 avisiert. Ziel ist es, abgewandelte Formen großer Sportspiele kindgerecht und auf den Bedarf zugeschnitten zu vermitteln. Schülersprecher Fatih ist von der Idee angetan. „Zusammen zur Schule zu gehen, heißt ja nicht nur, die Pausen gemeinsam zu verbringen. Eine solche Unterstützung für weniger leistungsfähige Mitschüler bedeutet, dass niemand zurück gelassen wird.“
Wobei, wie Georg Altenkamp ergänzt, „unterschiedliche Lerninhalte und -ziele selbstverständlich für den integrativen Unterricht sind.“ Die Umsetzung sei allerdings nicht immer ganz einfach, sagt der Schulleiter. „Das liegt daran, dass einige Kinder von Haus aus gewöhnt sind, alles abgenommen zu bekommen.“ Ein Mitmachen werde da häufiger mal verweigert. „Das geht aber so nicht, denn Inklusion bedeutet auch fördern und fordern.“
Andere passen auf Mitschüler wie Fabienne auf
Fabienne quietscht vor Vergnügen, hastet mit ihrem Rollator durch die Halle und versucht, ihren Häschern beim Völkerball zu entkommen. „Ein Riesenspaß“, sagt sie kurz darauf, noch ganz außer Atem. Die 13-Jährige findet es „toll“, mitmachen zu können. Trotz Handicap. Denn: „Die anderen sehen zu, nicht ganz so fest mit dem Ball nach mir zu werfen.“ So kann auch sie sich nach Herzenslust verausgaben. „Das will ich auch“, sagt das selbstbewusste Mädchen, das eher gebremst denn ermuntert werden muss.
Fabienne erklärt nun die Regeln: „Bei Völkerball habe ich im Gegensatz zu den anderen drei Leben, bei Fangspielen darf mein Jäger nur auf einem Bein hüpfend versuchen, mich einzuholen. Und beim Brennball kann ich auf Inseln einen Zwischenstopp einlegen – dafür bekomme ich für einen Umlauf zwei Punkte, weil ich ja nicht so fix bin.“
Lieblingsfächer? „Alle“, sagt sie. Vor allem Sprachen. Nicht selten, da unterhält sie sich mit Lehrern auf Englisch. So, als ob es das Selbstverständlichste auf der Welt wäre für eine 13-Jährige. Muss wohl mit ihrem Berufswunsch zusammen hängen, oder? „Ja“, sagt sie und strahlt. „Ich will als Dolmetscherin in den USA arbeiten.“ Wow.