Gelsenkirchen. . Die doppelte Premiere ist gelungen: Beim ersten „MiR goes Operette“-Projekt, der konzertanten Aufführung von Johann Strauß’ „Der Zigeunerbaron“ gelang es Orchester, Solisten und Chor, das Gelsenkirchener Publikum rein musikalisch für die Welt jenes Barons zu begeistern und in sie hineinzuziehen.

Es war nicht nur die Premiere von Johann Strauß’ „Der Zigeunerbaron“. Am Samstag wurde mit dessen konzertanter Aufführung vielmehr auch die Premiere des neuen Formats „MiRgoes Operette“ gefeiert.

Melodienselige, plüschige, pompöse Operette vom Walzerkönig ohne Bühnenbild, Requisiten und Kostüme, sondern allein im Konzertgewand? Ein Wagnis für Freunde üppiger Inszenierungen. Dass diese puristische Sicht funktionieren kann, beweist der Gelsenkirchener Baron in seiner Fokussierung auf den schwelgerischen Reichtum der Musik jenseits angestaubten Bühnenpomps.

Lehrstück dank Moderation

Intendant Michael Schulz bricht in seiner launigen Moderation mit klugem Witz die Geschichte des Zigeunerbarons, kommentiert, ordnet ein, legt den Finger in die Wunden, wenn es um Themen wie Ethnien, Heldenverehrung, Schlachtengesänge und Säbelrasseln geht. Ob Süßigkeiten und unselige Gestalt aus Österreich, ob die Verbindung von Schweinezucht und Fußball oder politische Ränkespiele in Europa, Schulz macht den Baron auch zum Lehrstück. Hechelte er anfangs zu langatmig durch die verzwickte Geschichte, fand er später zu pointierten Positionen.

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Im Mittelpunkt der Operette rund um den Heimkehrer Bárinkay, der um sein Erbe und um seine Liebe kämpft, stehen aber die unverwüstlichen Strauß-Melodien, Ohrwürmer und Schlager allesamt, die die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von MiR-Chefdirigent Rasmus Baumann farbig und feurig, süffig, und temperamentvoll vor plüschig rotem Theatervorhang intonierte. Statt einem Bühnenbild wechselte die farbige Hintergrundbeleuchtung, nötig war das jedoch nicht. Denn das Ohr des Besuchers wurde sattsam entschädigt für das, was manchem Auge vielleicht fehlte, dank schwelgerischer Chöre, herrlicher Arien und Ensembleszenen.

Ein neuer Zugang zur totgesagten Operette

Ob Melodien wie „Wer uns getraut“, „Ja, das Schreiben und das Lesen“ oder „Als flotter Geist“ – das Gesangsensemble nutzte die Chance und trumpfte auf. Joachim G. Maaß brillierte als Schweinezüchter Zsupan, Petra Schmidt als melancholisches Zigeunermädchen und Michael Dahmen erntete Bravos als Graf Homonay. William Saetre gab mit verschmitztem Humor den Kommissär und Almuth Herbst eine geschmeidige Czippra, in den übrigen Rollen überzeugten Lars-Oliver Rühl, Dorin Rahardja, Anke Sieloff und E. Mark Murphy.

Text und Musik in dieser Form bieten eine gute Chance, einen neuen Zugang zur immer wieder totgesagten Gattung Operette zu finden. Das Publikum ging auf jeden Fall, nach zufriedenem Beifall und Bravos, beschwingt nach Hause.