Gelsenkirchen.
Der Tod geht am Stock. Alt ist er geworden, und müde. Die Menschen machen Luzifer das Leben schwer mit ihren endlosen Kriegen und ihrem langen Leiden. Die Oper „Der Kaiser von Atlantis“ von Victor Ullmann, eine komprimierte, aber intensive Parabel über die monströsen Schrecken des Lebens und des Todes, feierte am Sonntagabend Premiere im Kleinen Haus des Musiktheaters. Viel Beifall für eine musikalisch glänzende und inszenatorisch angemessen zurückhaltende Aufführung.
Das Grauen ist auf der düsteren Bühne von Helke Hasse ebenso greifbar wie ihre Entstehung in den Köpfen der Zuschauer. Ullmann schrieb sein Werk 1943/44 im KZ Theresienstadt, 1944 wurden er und sein Librettist Peter Kien in Auschwitz ermordet.
Die Tyrannei des Hitler-Terrorregimes hängt spürbar in der Luft in diesem stählern grauen Raum mit seinem Wachturm, seinem Beton-Abflussrohr, dem verdorrten Baum und bunkerähnlichen Palast. Dennoch löst sich Regisseur Carsten Kirchmeier sinnfällig von einer eindeutigen Verortung, vielmehr gelingt ihm eine zeitlose Sicht auf eine Barbarei, der am Ende selbst der Tod den Dienst versagt.
Pakt mit dem Teufel bringt das Leben in Gang
Das Musiktheater bringt den Einakter als ambitioniertes Projekt des MiR-Jugend-Orchesters auf die Bühne. Unter Leitung von Dirk Erdelkamp gelingt den Musikern mit Profi-Potenzial ein ausbalancierter, akkurater Sound zwischen scharfer Groteske, schneidender Atonalität und nahezu spätromantischer Melancholie. Trommelwirbel begleiten einen Rhythmus, der mal tänzerisch, mal ruppig-zerrissen den Ton angibt. Geschmeidig fügen sich musikalische Zitate wie der Bach-Choral „Eine feste Burg ist unser Gott“, die verzerrte Deutschland-Hymne, eine Mahler-Sequenz oder ein Kinderlied ein.
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„Hallo, hallo“ dröhnt immer wieder der Lautsprecher, den Claudius Muth stoisch als ungerührten Verkünder gibt. Brillant besetzt mit dem geschmeidigen Bariton eines Vasilios Manis vom Jungen Ensemble kündet ein nervös verblendeter Kaiser Overall den gnadenlosen Krieg aller gegen alle an. Der Tod, den Kai Uwe Schöler als blonden Todesengel mit sattem Bass gibt, verweigert ab sofort seinen Dienst. Auch der Harlekin (William Saetre) ist sauer, weil er die Menschen nicht mehr erheitern kann. Der Trommler (Anke Sieloff) wirkt wie eine Kirmesfigur, und die Soldaten (Tina Stegemann und E. Mark Murphy) leiden verwundet, ohne sterben zu können. Erst der Pakt mit dem Teufel, als der Kaiser dem Tod zusagt, ihm ins Jenseits zu folgen, bringt das Leben wieder in Gang.
Leben, um zu sterben: ein beklemmender, surrealer Totentanz.