Gelsenkirchen. Erstmals bildete die Awo in Gelsenkirchen in einem Kursus türkischstämmige Frauen zu Alltagsbegleiterinnen für dementielle Menschen mit Migrationshintergrund aus.
Ein offener Umgang mit Krankheiten wird nicht in allen Kulturen gepflegt. Erst recht nicht, wenn die eigene Familie davon betroffen ist. Da überwiegt die Scham, die Angst vor einem nicht mehr ganz so reinen Leumund im nachbarschaftlichen Umfeld. Bei manch’ Älteren hält sich sogar noch der Glaube, das Gebrechen sei als Bürde oder Strafe von Gott gegeben.
Hilfe der besonderen Art im Kampf gegen das Vergessen (Demenz) und einen wichtigen Beitrag zur Migration leistet da die Schulungsreihe für Alltags- und Demenzbegleiter beim Servicezentrum der AWO in Gelsenkirchen. Erstmalig hatte es an der Paulstraße eine 60-stündige Fortbildung gegeben, die ausschließlich auf Türkisch gehalten wurde, jetzt erhielten sieben erfolgreiche Teilnehmerinnen ihre Zertifikate. „Diese Frauen beraten künftig betroffene Familien und stellen die Weichen für schnelle Hilfe“, erklärt Kursusleiterin Bedia Torun stolz bei der Übergabe. Denn: Krankheit sei in Familien mit Migrationshintergrund leider oftmals immer noch ein Tabu. „Daher ist die Rolle der Begleiterinnen als Multiplikatorinnen in den Familien, der Nachbarschaft und den Gemeinden von hoher Bedeutung.“
Bei Demenz ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis, ferner das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik und bei einigen Formen auch die Persönlichkeitsstruktur betroffen. Dementsprechend umfangreich war auch der Lehrplan der Frauen, er enthielt unter anderem: Grundlagen zu Alter, Gesundheit, Krankheit und Demenz; Gesetzliche Regelungen und Finanzierung von Hilfen und auch Hospitationen in Einrichtungen der Altenhilfe.
Sprache als Brücke
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Gerade für die erste(n) Generation(en) türkischer Migranten kann Demenz ein Problem darstellen, denn das überschaubare deutsche Vokabular versinkt als Erstes im Dunkel des Vergessens. „Daher ist es wichtig, über die Muttersprache auf die Bedürfnisse der Patienten einzugehen“, erklären die fließend zweisprachig aufgewachsenen Teilnehmerinnen Meryem Kalabalikli, Saziye Kirazli und Sati Akdilek. Die drei Frauen beraten künftig Angehörige von dementiellen Patienten – gegen Bezahlung, in einem neuen Berufszweig. „Wir zeigen den Betroffenen, wie Patienten richtig gelagert, gehoben oder generell auf dem Stuhl und im Bett bewegt werden, ohne den eigenen Körper dabei zu überlasten und den Angehörigen zu gefährden“, erzählt Meryem Kalabalikli von ihrem neuen Wissen. „Oder wir machen spezielle Gymnastik mit den Kranken und übernehmen den Schriftverkehr bei Anträgen für die Einordnung in eine Pflegestufe“, fügt Sati Akdilek hinzu.
Migration versteht sich aber nicht nur als einseitiger Prozess. Die modernen Türkinnen stehen daher nicht nur Landsleuten zur mit Rat und Tat zur Seite. „Jedermann ist willkommen“, sagen sie. Modernes Miteinander eben.