Gelsenkirchen. Gewerkschaft der Polizei wehrt sich gegen den geplanten Stellenabbau; auch in Gelsenkirchen. Botschaft: Wir können keine Lücke schließen, ohne woanders ein Loch zu reißen

„110 und keiner ist da“ – mit diesem zunächst sehr provokativ wirkenden Slogan macht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) derzeit auf den „massiven Personalabbau bei der Polizei“ aufmerksam. Polizeihauptkommissar Jörg Klink, GdP-Chef in Gelsenkirchen, wagt derzeit den Tanz auf der Rasierklinge – zu einen ist er seinem Dienstherrn verpflichtet, kann also, wie es so schön heißt, aus taktischen Gründen keine Interna preisgeben, zum anderen muss er die Interessen seiner schon jetzt „überlasteten Kollegen“ mannhaft vertreten, um für Entlastung zu sorgen.

Ein Dilemma. Wie groß es in Gelsenkirchen (und auch anderswo) ist, kann der aufmerksame Leser zwischen den Zeilen herauslesen. „Im Streifendienst wird es jetzt schon schwer, den eigenen, von uns gesetzten Ansprüche gerecht zu werden“, sagt der Polizist. Unser Wunsch wäre es, für jeden Stadtteil einen Streifenwagen zur Verfügung zu haben.“ Die erschreckende Schilderung passt zu den Eindrücken von WAZ-Lesern, die sich zuletzt noch vehement darüber beschwerten, die Polizei sei vor Ort viel zu selten zu sehen, zu dem Trend etwa, dass landesweit die Zahl der Einbrüche seit 2009 um rund 39 Prozent zugenommen hat – alle neun Minuten mit Erfolg – und acht von zehn Einbrechern ohne Strafe davonkommen.

50 Stellen abgebaut

Klink und seine Kollegen haben aus dem Altersstrukturbericht des Innenministeriums errechnet, dass 2020 in Gelsenkirchen die Zahl der Beamten um 34 zurückgeht – aktuell sind es 669, ein Großteil davon arbeitet allerdings nicht „direkt an der Front“, trägt also wenig zur subjektiven Sicherheit bei. Auch nicht, dass über 50 Stellen nach Angaben der Gewerkschaft in Gelsenkirchen in den vergangenen Jahren ohnehin abgebaut worden sind. Und Ermittlungen in vollem Umfang nachzugehen, ist eh ein schwieriges Unterfangen, wie man hört, denn die vier Kriminalkommissariate versänken in Aktenbergen, die es noch abzuarbeiten gelte. „Wir haben mit rund zehn Prozent zudem einen hohen Krankenstand“, lässt Jörg Klink durchblicken. Viele Kollegen verließen sprichwörtlich mit Magenschmerzen ihr Büro oder gehen in Urlaub, weil die Arbeit nicht erledigt ist. Ein Grund: Weil die Einsatzhundertschaft – verbindlich 123 Polizisten stark – ständig in Bereitschaft steht und auch über die Stadtgrenzen hinweg angefordert wird, müssen Kollegen aus der normalen Wechselschicht Lücken in der Hundertschaft auffüllen. Das reißt enorme Löcher in den täglichen Polizeidienst.

Die Konsequenz: Es wird in Gewerkschaftskreisen darüber nachgedacht, zu fordern und einzuführen, „mehr oder weitere Gebühren für Polizeidienste zu erheben“. Denkbar wäre demnach, nicht mehr bei jeder gemeldeter Ruhestörung auszurücken, nicht jeden kleinen Unfall aufzunehmen.