Düsseldorf. Zu Karneval, beim Fußball, bei Volksfesten: Öffentliche Besäufnisse gehören für viele Jugendliche bei größeren Veranstaltungen quasi dazu. Die Polizeigewerkschaften wollen dieses Treiben beenden. “Wir beobachten, dass Alkohol maßlos konsumiert wird“, sagt Gewerkschafts-Chef Erich Rettinghaus.
Die Karnevalsumzüge locken in den kommenden Tagen Tausende zum Feiern in die Innenstädte. Für viele gehört Sekt, Wein und Bier dazu. Häufig wird dabei nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) aber gehörig über die Strenge geschlagen. "Wir stellen fest, dass zu Anlässen wie Karneval oder Stadtfesten immer öfter vor allem Jugendliche Alkohol selbst mitbringen und sich dann stark betrinken", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende, Bernhard Witthaut, der Nachrichtenagentur dapd. Insbesondere an Karneval sei die Situation vielerorts "dramatisch". Immer häufiger komme es unter den Jugendlichen auch zum "Komasaufen".
Die Vorsitzenden der beiden Polizeigewerkschaften in Nordrhein-Westfalen sehen in den zunehmenden Alkoholexzessen auf öffentlichen Plätzen ein wachsendes Problem. "Wir beobachten, dass Alkohol maßlos konsumiert wird", sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft NRW, Erich Rettinghaus, der Nachrichtenagentur dapd in einer Umfrage. Arnold Plickert, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei NRW, erklärte: "Wir wollen den Leuten nicht alles verbieten und ihnen vor allem nicht den Spaß nehmen. Aber es sollte möglich sein, immer dann, wenn eine Gefährdungslage vorliegt, ein temporäres und örtlich begrenztes Alkoholverbot auszusprechen."
Einige Städte haben bereits Konsequenzen gezogen - darunter Trier. An Weiberfastnacht gibt es ein Alkohol-Sperrgebiet. Entsprechende Getränke dürfen nicht mitgebracht und auch im Freien nicht ausgeschenkt werden. Mit dieser Maßnahme wird auf die Exzesse im vergangenen Jahr reagiert. Damals mussten knapp 60 Heranwachsende wegen Verletzungen oder Alkoholvergiftungen ambulant behandelt werden.
Alkoholexzesse im Freien sind offenbar aber nicht nur an Fasching ein Dauerthema - denn manche Stadt oder Gemeinde hat auf bestimmten Plätzen ein Alkoholverbot verhängt, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dapd ergab.
In Münchens Fußgängerzone ist Alkohol tabu
Unter anderem gibt es das in Wiesbaden, Kassel, Ludwigshafen, in saarländischen Gemeinden, in Städten und Gemeinden Brandenburgs oder München. In der bayerischen Landeshauptstadt wurde ein ganztägiges Verbot erlassen, sich in der Fußgängerzone niederzulassen und dort Alkohol zu trinken. In Würzburg gilt ein Alkoholverbot unterhalb der Festung Marienberg. An einer Promenade waren nach Angaben des Ordnungsamtleiters bei Feiern mit Betrunkenen "sehr extreme Zustände" beobachtet worden.
Auch in Berlin bereiten Alkoholexzesse auf öffentlichen Plätzen nach Ansicht der GdP zunehmend Probleme. Besonders Anwohner fühlten sich gestört durch Lärm und Dreck, sagte eine Sprecherin. Mancherorts wurden die einzelnen Stadtbezirke aktiv: So darf rund um den Fernsehturm am Alexanderplatz oder in der Altstadt von Spandau im öffentlichen Raum kein Alkohol getrunken werden.
Nach Einschätzung des Ordnungsamtsleiters von Mitte, Harald Strehlow, sind auf einzelne Orte begrenzte Verbote jedoch nur bedingt erfolgreich. Wenn sich auf einer Grünanlage zugleich privates Gelände befinde, etwa eine Kirche, könnten Ordnungsbehörden mitunter nicht eingreifen, erklärte Strehlow. Personen mit Bierflaschen müssten lediglich das öffentliche Areal verlassen, um sich dem Zugriff zu entziehen. "Oder auf die Straße gehen", fügte er hinzu.
Bald Alkoholverbote in Hannover?
In Hannover könnte bald ein zeitlich begrenztes Alkoholverbot Realität werden. Im Fokus stünden Bereiche wie der Raschplatz hinter dem Hauptbahnhof oder die Limmerstraße im alternativen Stadtteil Linden, sagte eine Stadtsprecherin. Dort gebe es ähnliche Probleme wie in Göttingen in der Nikolaistraße, in der es verstärkt zu Anwohnerbeschwerden aufgrund von Ausschreitungen Betrunkener, Lärm bis in die Morgenstunden und Müll in Hauseingängen gekommen war. Auf der Meile reihen sich auf gut 200 Metern zahlreiche Gastronomiebetriebe, Imbisse und Kioske sowie eine Diskothek aneinander. Dort ist seit 2012 zwischen 00.00 Uhr und 6.00 Uhr der öffentliche Genuss von Alkohol verboten.
In anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg sind den Kommunen teilweise die Hände gebunden, weil es keine Möglichkeit gibt, Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen zu verhängen. Denn dazu fehlt in dem Bundesland eine gesetzliche Grundlage, wie das Justizministerium mitteilte. Auch in Thüringen und vor allem der Landeshauptstadt Erfurt ist das Alkoholverbot ein Reizthema: Denn ein von der Stadt Erfurt ausgesprochenes Verbot, in den zahlreichen Fußgängerzonen Alkohol zu trinken, beschäftigt derzeit das Bundesverwaltungsgericht. Ein mit einem Bußgeld verwarnter Bürger hatte erfolgreich gegen den Erlass geklagt. Das Gericht muss nun zunächst entscheiden, ob die Revision der Stadt zugelassen wird.
Einer repräsentativen Umfrage von "Bild am Sonntag" zufolge trinkt fast ein Viertel der Deutschen regelmäßig Alkohol. Dabei fällt die Quote bei Männern mit 27 Prozent höher aus als bei Frauen. Unter ihnen seien es 20 Prozent. Das Ergebnis fußt nach Angaben der Zeitung auf einer Befragung von 500 Personen ab 14 Jahren. (dapd)