Gelsenkirchen.

Claudia Cardinale, diese große Dame des Filmgeschäfts, fragte vorsichtshalber noch einmal beim Moderator nach: „He is the Winner?“ Ja, genau, er ist der Gewinner – und dann schritt die Unesco-Sonderbotschafterin auf den stolzen Sieger zu, um ihm per Handschlag herzlich zu gratulieren.

Der stolze Sieger war Oberbürgermeister Frank Baranowski, der am Donnerstagabend auf der Bühne des Düsseldorfer Maritim-Hotels stellvertretend für Gelsenkirchen den Nachhaltigkeitspreis der Unesco in der Kategorie „Sonderpreis der Deutschen Unesco Kommission ,Bildung für nachhaltige Entwicklung’ 2012“ aus den Händen von Christina Rau, der Witwe des früheren Bundespräsidenten und NRW-Ministerpräsidenten, entgegennahm.

Bestätigung der Handlungsweise

Die Freude des OB über die Auszeichnung war deutlich sichtbar, denn sie stellt in diesem konkreten Fall eine Bestätigung der lokalpolitischen Handlungsweise dar: „Der von uns eingeschlagene Weg, in Gelsenkirchen konsequent auf Bildung zu setzen, wurde durch den Preis eindrucksvoll bestätigt“, sagte er in einer ersten Reaktion und fügte später an, dass Bildung doch die beste Stadtentwicklungspolitik sei. Zwar müsse man in vielen Bereichen sparen, „an einem aber nicht – und das ist die Bildung.“ Der Preis sei eine Motivation, in dieser Richtung weiterzumachen.

Wofür aber ist die Stadt ausgezeichnet worden?

Was kompliziert klingt, lässt sich so erklären: Am Anfang stand ein Agenda-21-Beschluss des Stadtrates aus dem Jahr 1997. In dessen Folge brachten Bürger viele Projektinitiativen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung auf den Weg. Der Ansatz „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) sei von Anfang an mit einbezogen und in Strukturen und Prozesse der Stadt integriert worden, heißt es in der Jury-Begründung.

Viele gute Beispiele

Ganz praktisch gesprochen, sind es Vorhaben wie die Kreativwerkstatt für Kinder und Jugendliche, die Gelsenkirchener Färbergärten, das Umwelt-Diplom der Stadt oder Projekte wie „Der Wald ist voller Wörter“, bei dem Kinder spielerisch ihren Wortschatz erweitern können.

Nicht unerwähnt ließ die Jury, dass Gelsenkirchen seit Jahrzehnten mit einem anhaltenden Strukturwandel zu kämpfen habe, was sich im demografischen Wandel, einer recht hohen Arbeitslosigkeit und der angespannten Situation der kommunalen Finanzen zeige – um anzuschließen: „Bemerkenswerterweise ist es der Stadt trotz dieser Ausgangslage gelungen, die Aktivitäten zu Bürgerbeteiligung, Klimaschutz, demografischer Entwicklung und Bildung für nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.“

In der Stadt sei ferner das Bewusstsein entstanden, dass BNE kein Luxusgut, sondern eine Notwendigkeit für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune ist.

Stimmen zur Verleihung: 

Frank Baranowski, Oberbürgermeister Gelsenkirchen: „Ich war angespannt vor der Bekanntgabe. Genaueres wussten wir ja nicht. Ich werte den Preis als Bestätigung der vergangenen Arbeit und als Motivation für die zukünftige. Der Abend bot zudem eine gute Gelegenheit, um mit Vertretern anderer Städte zu sprechen und zu erfahren, welche Projekte sie auf den Weg gebracht haben.“

Kira Fink, Moderatorin der Fair-Trade-Steuerungsgruppe: „Ich habe mich in erster Linie sehr darüber gefreut, dass Gelsenkirchen diesen Sonderpreis bekommen hat. Ich glaube auch, dass die Stadt diesen Preis verdient hat. Sehr schön war der festliche Rahmen der Preisverleihung. Der stellte schon eine große Wertschätzung für die Geehrten dar.“

Dieter Heisig, Sozialpfarrer: „Ich erinnere mich, wie wir im Kirchenkreis diskutierten, ob wir mitmachen wollen. Es ist schön, dafür jetzt eine Bestätigung bekommen zu haben. Gerade weil es sich ja nicht um eine klassische Investition handelt, sondern um eine, für die man einen langen Atem braucht. In solchen Themenfeldern stellen sich die Effekte ja nicht sofort ein.“

Kommentar: Gutes mit wenig Geld getan

Viel Geld für Investitionen steht Gelsenkirchen nicht zur Verfügung. Das ist eine traurige Tradition. Trotzdem gewinnt die Stadt immer wieder Preise, wie jetzt den der Unesco.

Das ist, abseits der oft niederschmetternden Ranking-Positionen, ein gutes, ein wichtiges Zeichen. Es ist eine Botschaft an all jene, die diese Stadt ausmachen: die Menschen, die hier leben. Und sie lautet, dass zwar längst nicht alles perfekt ist, aber dass Gutes geschieht – und für mein Empfinden an der richtigen Stelle und mit einem dankenswert langen Atem. Denn was kann wichtiger sein, als mit einem ordentlichen Konzept in nachhaltige Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche zu investieren? Nichts!

Längst haben Gelsenkirchener Politiker, denen oft durch Sach- und Sparzwänge die Hände gebunden sind, über alle Fraktionen hinweg die Notwendigkeit erkannt und setzen sie kreativ um. Dafür gebührt ihnen auch mal: ein Lob!