Gelsenkirchen. Weniger Müll und Lärm: Ansprechpartner zu festen Zeiten und „regelmäßig unregelmäßige Kontrollen“ zeigen an der Asylbewerberunterkunft Beckeradsdelle offenbar Wirkung. Die Sozialdezernentin traf sich jetzt zum zweiten Gespräch mit genervten Anwohnern – Ruhe ist dennoch nicht eingekehrt.

„Auf gute Nachbarschaft“ – der Wunsch von Sozialdezernentin Karin Welge klang auch nach Friedensangebot. Die Adressaten: Anwohner der Beckeradsdelle.

Das dortige Asylbewerberheim ist für sie vor allem eins: ein Ärgernis. Über Lärm, Müll, Belästigungen und mögliche Straftaten der Bewohner führten Nachbarn immer wieder Beschwerde. Von wüsten Feiern, von Abfall, der aus Fenstern geworfen wird, von unerzogenen Kindern, von Altmetall-Umschlag und bösen Sprüchen („Alte, verzieh dich“) war da die Rede. Aus ihrer Sicht blieben die Bueraner bei der Verwaltung unerhört.

Spielangebot wiederbelebt

Im September schaltete sich schließlich die Dezernentin ein. Ein erstes, teils emotionales Treffen gab es. Am Ende stand Welges Zusage, aktiv zu werden. Nun also die zweite Runde im „Haus Herder“. Gut 25 Menschen füllten den kleinen Nebenraum der Gaststube.

Die Stimmungslage? Aufgebracht bis entspannt. Denn es hat sich einiges getan. Die Verwaltung hat reagiert, gehandelt und investiert. Zum Beispiel in Farbe. Der Flur, das Hausmeisterbüro, ein Kinderspielzimmer wurden renoviert. Vor allem aber gibt es jetzt wieder zu festen Zeiten feste Ansprechpartner: Vor verschlossenen Türen sollen weder Bewohner noch Nachbarn künftig stehen.

„regelmäßig unregelmäßig“ wird vorbeigeschaut

Mit den vorhandenen Kräften wurde das ehemals von 1,50-Euro-Jobbern beaufsichtigte Spielangebot im Kinderzimmer wiederbelebt. Die Überlegung: Wer was zu tun hat, kommt nicht auf dumme Ideen. Das Sammeln von Sperrmüll auf dem Hof wurde unterbunden.

Auch außerhalb üblicher Dienstzeiten schauen jetzt Stadtmitarbeiter „regelmäßig unregelmäßig“ am Asylbewerberheim nach dem Rechten. Die Stadt reagiert so auf Vorwürfe, dass ihre Kräfte zu den Hauptstörungs-Zeiten nie vor Ort seien.

Bezirksbeamter gibt Entwarnung 

Dem Verdacht, im Umfeld des Hauses würde mit Waren aller Art aus gemieteten Garagen heraus gehandelt, geht die Stadt noch nach. Stand bislang: Die teilweise neun Kleintransporter der Schrottsammler, die ringsum abgestellt sind, sind auf Halter zugelassen, die einen Gewerbeschein haben – und offiziell nicht im Haus leben.

„Seit zwei Monaten bestreifen wir verstärkt den Bereich, auch in den Abendstunden. Auffälliges haben wir nicht feststellen können“, hält der kommunale Ordnungsdienst fest. Auch der Bezirksbeamte gibt Entwarnung. „Seit drei Jahren haben wir hier aus polizeilicher Sicht keine Vorgänge mehr. Ich habe Häuser, da mache ich mir mehr Sorgen.“ Zumindest bei Peter Bansemir kommen die Maßnahmen an: Ich sehe Fortschritte. Wir werden schon klar kommen.“

Der Mietvertrag läuft noch bis 2018

Seit 1993 ist das Haus an der Beckeradsdelle Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber. Der Mietvertrag läuft bis 2018. Was danach mit der Unterkunft passieren soll, ist laut Verwaltung derzeit und in naher Zukunft nicht absehbar. Aus der Nachbarschaft kam die Anregung zu prüfen, ob der Mietvertrag nicht frühzeitiger gekündigt werden könne.

Bis zu 190 Personen böten die Wohnungen in den zwei Häuserblocks Platz. Aktuell leben rund 100 Menschen (darunter etwa 30 Kinder und Jugendliche) aus 15 Nationen in der Unterkunft, vornehmlich kommen sie aus Serbien und Mazedonien, viele sind Sinti und Roma. Sozialdezernentin Karin Welge gab der Versammlung die Zusage, in Zukunft „auch nicht ansatzweise bei der Belegung an die Kapazitätzgrenze zu gehen. Wir werden es bei einer Auslastung von gut 50 % belassen.“

In der Runde bleiben Ressentiments gegenüber den Bewohnern. „Ich traue mich überhaupt nicht auf den Hof drauf“, sagte eine Frau.